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Knobelritters Spielearchiv - The Grizzled

Art des Spiels: Kooperationsspiel
Spieleautoren:  Fabien Riffaud & 
                Juan Rodriguez
Verlag:         Cool Mini or Not
Jahrgang:       2015
Spielerzahl:    2 bis 5 Spieler
Alter:          ab 14 Jahren
Dauer:          ca. 30 Minuten
Preis:          € 32,90

Zielgruppen:    Spielexperten ++
                Gelegenheitsspieler ++

Man kann sich ja gar nicht vorstellen, wie das vor fast genau 100 Jahren so gewesen ist. Damals im Großen Krieg, in den schrecklichen Grabenkriegen der Deutschen Wehrmacht gegen die Französische Armee vor Verdun. Jahrelang im Schlamm in einen sinnlosen Kampf verstrickt, nur um unter ungeheuerlichen Verlusten winzige Geländegewinne zu erzielen. Kälte, Nässe und Schnee setzen den Soldaten auf beiden Seiten zu, hinzu kommt die ständige Angst vor Bomben und Giftgasangriffen. Tod und Leid sind allgegenwärtig.

In Spielen kommen diese Gefühle - Verzweiflung, Furcht, Hoffnungslosigkeit - immer zu kurz. Wenn sich ein Spiel mit Kriegen und Schlachten beschäftigt, dann stets aus der Sicht eines kühlen Feldherren, der Menschenleben mit strategischen Vorteilen gegenrechnet. Nicht so im vorliegenden Spiel "The Grizzled", in dem es um eine Gruppe untrennbarer Freunde geht, die sich vor der Generalmobilmachung der Armee gegenseitig versprechen, den Krieg zu überleben und alle gemeinsam zurückzukommen, ganz gleich was auch geschehen möge.


Das Wörtchen "gemeinsam" weist schon darauf hin: Es handelt sich um ein kooperatives Spiel, also um ein Spiel, bei dem nicht jeder Spieler für sich versucht zu siegen, sondern nur im Team gewonnen werden kann. Die Spieler übernehmen dabei die Rolle eines der sechs Freunde und erhalten die entsprechende Personen-Karte. Das Spiel liegt mir übrigens in der englischen Fassung vor, ich werde aber zum besseren Verständnis eingedeutschte Begriffe verwenden.

Wie so oft in Teamspielen übernimmt auch hier das Kartendeck die Funktion des gemeinsamen Gegners. Auf den Karten finden sich entweder "Bedrohungen" (wie Regen, Schnee oder Bombenangriff) oder "Schicksalsschläge" (wie Wunden, Phobien oder Traumata). Die Bedrohungen betreffen stets alle Spieler, während sich die Schicksalsschläge meistens nur auf einen einzelnen Spieler auswirken.

Alle 59 Karten werden gemischt und dann auf zwei bestimmten Karten platziert. Die 25 Karten, welche auf die "Frieden"-Karte gelegt werden, werden als "Prüfungen" bezeichnet. Die restlichen 34 Karten auf der "Monument"-Karte bilden die Moralreserve. Das Spiel selbst geht über mehrere Runden ("Missionen"), welche in vier Phasen untergliedert sind.

In der Vorbereitungsphase bestimmt der Missionsleiter die "Intensität" der Mission, also wie viele Karten an jeden Spieler vom "Trial"-Stapel ausgeteilt werden. Die Hauptphase ist die Missionsphase, in der jeder Spieler reihum eine Aktion ausführt. In den meisten Fällen wird dabei eine Karte aus der Hand ausgespielt. Schicksalsschläge werden offen vor dem Spieler ausgelegt, Bedrohungen ebenfalls aufgedeckt in eine Reihe in der Mitte des Tisches ("Niemandsland"). Dabei ist darauf zu achten, dass im Niemandsland keine drei Bedrohungen derselben Art ausliegen, sonst gilt die Mission als gescheitert, was eine Menge Nachteile mit sich bringt.

Alternative Aktionen sind das Halten einer aufmunternden Rede und der Einsatz seines Glücksbringers. Bei einer Rede - dazu muss der Spieler bereits im Besitz eines "Rede"-Plättchens sein - nennt der Redner eine Bedrohung, und jeder Spieler darf eine Karte mit der passenden Bedrohung abwerfen. Setzt der Spieler seinen persönlichen Glücksbringer ein - jeder Spieler ist gegen die auf seiner Personenkarte abgebildete Bedrohung gefeit -, darf er eine passende Karte des Niemandslands entfernen, verliert aber dadurch seine Fähigkeit, indem er seine Personenkarte umdreht.

Will oder kann ein Spieler keine andere Aktion ausführen, kann er sich zurückziehen. In diesem Fall legt er gleichzeitig verdeckt mit einem Unterstützungs-Plättchen fest, welchen Spieler er in der nächsten Phase unterstützen will. Haben sich alle Spieler zurückgezogen oder ist die Mission gescheitert, wird in der anschließenden Unterstützungsphase überprüft, ob ein Spieler mehr Unterstützung von seinen Mitspielern erhalten hat als die anderen. Nur wenn dies zutrifft, kann dieser Spieler davon profitieren, indem er etwa 2 Schicksalsschläge wegstecken kann, also 2 entsprechende Karten ablegen darf.

Ist der Krieg danach noch nicht zu Ende, drückt dies in der darauffolgenden Moralphase natürlich auf die Stimmung. Es werden so viele Karten von der Moralreserve auf den "Prüfungen"-Stapel gelegt, wie alle Spieler zusammen noch Karten auf ihrer Hand halten, mindestens jedoch 3 Karten. Der Missionsleiter erhält abschließend noch ein "Rede"-Plättchen, bevor er dem nächsten Spieler im Uhrzeigersinn die Startspielerfigur für den neuen Missionsleiter überreicht, und eine neue Mission beginnt.

Und wie schaut es nun mit Sieg oder Niederlage aus? Alle Spieler haben gemeinsam verloren, wenn auch nur ein Spieler nach der Unterstützungsphase vier oder mehr Schicksalsschläge vor sich liegen hat. Aber auch wenn die Moral-Reserve verbraucht ist, sodass das Kriegerdenkmal mit den Namen der sechs gefallenen Freunde sichtbar wird, sind die Spieler selbsterklärend gescheitert.

Ist hingegen der "Prüfungen"-Stapel aufgebraucht und somit die Friedenstaube auf der "Frieden"-Karte zu sehen, und hält gleichzeitig auch kein Spieler mehr eine Karte auf der Hand, ist der Krieg endlich vorbei, und die sechs Freunde kehren - wie versprochen - wohlbehalten in ihr Dorf zurück.


"The Grizzled" präsentiert sich somit als Teamspiel, welches durch das Ausspielen von Karten gelenkt wird. Es liegt in der Natur solcher Spiele, dass dabei das Kartenglück eine gewisse Rolle spielt, vor allem wann und wie neue Karten ins Spiel kommen. Gute Spiele dieses Genres bieten den Spielern trotzdem mehrere Optionen, um dem Zufall entgegenwirken zu können.

Hier kommt es drauf an, die Karten eines Stapels im Laufe des Spiels abzubauen. Für die beiden vorkommenden Arten von Karten - Bedrohungen und Schicksalsschläge - gelten dabei unterschiedliche Regeln, sowohl was die Chancen als auch die Gefahren anbelangt.

Schicksalsschläge legt man offen vor sich aus. Neben Phobien und Traumata, welche dieselben Symbole wie die Bedrohungen zeigen und auch zu den im Niemandsland ausliegenden Bedrohungen hinzugerechnet werden, solange sich der betreffende Spieler noch nicht zurückgezogen hat, gibt es noch andere Karten, welche etwa Bedingungen für einen Rückzug stellen oder Extrabestrafungen bringen. Diese offen ausliegenden Schicksalsschläge sollten bei der Wahl des Unterstützungsplättchen unbedingt berücksichtigt werden. Schließlich sollten diese nach Möglichkeit mehrheitlich einem einzigen Spieler zukommen, um die lästigen Karten auch tatsächlich wieder loswerden zu können.

Bedrohungen werden hingegen ins Niemandsland ausgespielt. Dabei möchte man während einer Mission natürlich möglichst viele dorthin loswerden, um den Stapel schneller abbauen zu können. Dem uneingeschränkten Ausspielen von Karten wird jedoch auch hier ein Riegel vorgeschoben. Auf jeder Bedrohungs-Karte sind mindestens zwei verschiedene Bedrohungen abgebildet. Sobald drei gleiche Bedrohungen ausliegen, ist bekanntlich die Mission verloren, was meist einen herben Rückschlag bedeutet.

Alle Karten des Niemandslands kommen in so einem Fall nämlich nicht - wie bei einer erfolgreichen Mission - aus dem Spiel, sondern werden wieder in den "Prüfungen"-Stapel zurückgemischt. Auch auf die Unterstützungsphase hat dies Nachteile, da der am meisten unterstützte Spieler - so es überhaupt einen gibt - nur 1 Schicksalsschlag loswird. Und geschieht dies alles zu einem recht frühen Zeitpunkt der Mission, wenn alle noch mehrere Karten auf der Hand halten, wirkt es sich auch noch verheerend auf die Moral aus, weil viele neue Karten dazukommen.

Es ist also manchmal ein Gratwanderung, bei der zum Teil knifflige Entscheidungen zu fällen sind. Niemand wird zwar absichtlich eine Mission torpedieren, aber einerseits können bestimmte Schicksalsschläge einen rechtzeitigen Rückzug verhindern, andererseits weisen einige Karten ein "Fallen"-Symbol auf. Diese Fallen erfordern das Aufdecken einer zusätzlichen Karte, was ein mehr oder weniger großes Risiko birgt. Die Spieler sollten sich auf solche Eventualitäten einstellen, um eine Mission auf jeden Fall erfolgreich abschließen zu können.

Es verlangt von den Spielern geschickten Einsatz all ihrer Mittel, bestmögliche Koordination ihrer Aktionen, optimales Ausnutzen der individuellen Fähigkeiten. Die Glücksbringer stehen zwar im Regelfall nur ein einziges Mal zur Verfügung, können dafür aber recht hilfreich sein. Manchmal zahlt es sich sogar aus, in der Unterstützungsphase auf das Kurieren der Schicksalsschläge zu verzichten und stattdessen seinen Glücksbringer zu reaktivieren.

Die aufmunternde Rede kann ebenfalls ein sehr probates Mittel sein, erlaubt sie doch, gleich mehrere Handkarten in einem Streich loszuwerden. Gerade für diesen Zweck lohnt es sich, mal die "Intensität" einer Mission zu erhöhen, sprich: mal eine höhere Anzahl an Karten an jeden Spieler auszuteilen, um die Chancen auf "Treffer" zu erhöhen. Ohne "Rede"-Plättchen ist es hingegen eine riskante, "moralisch bedenkliche" Angelegenheit, mehr als 2 Karten pro Spieler auszuteilen.

In diesem Zusammenhang ein paar Worte zur Kommunikation zwischen den Spielern. Kooperationsspiele leben ja auch von lebhaften Diskussionen. Es versteht sich aber von selbst, dass dabei Informationen über Handkarten tabu sind. Besonders bei Reden und bei den Unterstützungen sollte dies streng eingehalten werden, um sich nicht selbst der Spannung zu berauben.

"The Grizzled" besitzt einige Elemente, die aus dem Spiel eine Herausforderung machen, die sich jedes Mal anders gestaltet. Am besten spielt es sich zu dritt bis zu fünft. In der Minimalbesetzung von zwei Spielern hilft man sich zwar mit einem virtuellen Spieler, der nur für die Unterstützung herangezogen wird, aber mehr als eine holprige Hilfslösung ist dies nicht. Betrachtet man "The Grizzled" rein vom spielerischen Standpunkt, trifft man dabei auf Stärken und Schwächen eines kartengesteuerten Koop-Spiels. Der Schwierigkeitsgrad ist recht reizvoll, und kann sogar recht leicht gesteigert werden, indem man den "Prüfungen"-Stapel von vornherein vergrößert.

Besonders erwähnen möchte ich noch die fantastischen Illustrationen von Tignous. Der französische Künstler ist traurigerweise beim Attentat auf "Charlie Hebdo" ums Leben gekommen, seine Kunst lebt aber auf den wunderbaren, so sensiblen Zeichnungen weiter. Der Titel des Spiels - im französischen Original heißt es übrigens "Les Poilus" - bezieht sich übrigens auf die Tatsache, dass die Soldaten in den Schützengräben wenig Gelegenheit hatten, sich zu rasieren, und deshalb "haarig" und "mit angegrautem Bart" erschienen.

Was das Spiel letztlich jedoch aus der Masse der unzähligen Spiele hervorhebt, welche jährlich erscheinen, und gleichzeitig der Grund, warum ich auch unbedingt darüber schreiben wollte, geht über das Spielerische hinaus. Hier wird man emotionell ins Spiel hineingezogen, wird unweigerlich in die fast aussichtslose Lage der Freunde hineinversetzt, teilt das Schicksal von Gaston Fayard, Gustave Bidau, Charles Saulière, Félix Moreau, Lazare Bonticeli und Anselme Perrin.

Damit wird Geschichte lebendig gemacht, viel nachhaltiger und eindringlicher als es nackte Zahlen vermögen. Meiner Meinung nach bräuchte es mehr solche Spiele. Mehr Spiele, in denen man so richtig mit den Protagonisten mit fiebert und mitleidet. Mehr Spiele, in denen man Anselme, Gustave oder Gaston sein kann…

Franky Bayer

Bewertung: 4½ Schilde