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Knobelritters Spielearchiv - Kreml

Art des Spiels: Rollen- und Machtspiel
Autor:          Urs Hostettler
Verlag:         Fata Morgana Spiele
Jahrgang:       1986
Spielerzahl:    3 bis 6 Spieler
Alter:          ab 50 (?) Jahren
Dauer:          1 bis 3 Stunden
Preis:          ca. € 25,-
Auszeichnung:   "Hall of Games" USA 1987

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Was hat sich im Osten nicht alles getan. Gorbi machte es möglich: Glasnost, Perestroika, Jelzin, Zerfall der Sowjetunion, demokratische Wahlen,... Nichts ist mehr so, wie's früher einmal war. Damals in der guten alten Zeit, als man noch wusste, der "Russ'" im Osten - hinter dem "Eisernen Vorhang" - der Feind war. Man konnte sich noch verlassen auf die Außenpolitik der Supermacht, auf ihre Ideologie und ihre Expansionsbestrebungen. Jetzt kann man nur mehr mit einem Spiel namens "Kreml" diese Zeiten wieder aufleben lassen.

Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich "Kreml" erstanden habe. Ich habe meine Spieleeinkäufe noch in Passau getätigt (und diese dann - pssst - nach Österreich geschmuggelt) und bekam im besten Spieleladen eine unscheinbare, sehr nach Eigenbau wirkende Schachtel im DIN-A4-Format in die Hände. Der Aufdruck "Ab 50 Jahren" machte mich stutzig, und nur wiederholtes Beteuern des kompetenten Verkäufers, dass es "ein wirklich gutes Spiel" sei, ließ mich schließlich weich werden. Heute bin ich froh darüber, denn der Verkäufer hat nicht übertrieben: "Kreml" ist sogar eines meiner Lieblingsspiele geworden.

Der werte Leser ist nun sicher neugierig geworden ob der vielen Laudatien. Drum flugs zu einer detaillierten Beschreibung. In dieser unauffälligen Schachtel befinden sich neben der Spielregel noch ein 20seitiger Würfel, ein Notizblock, einige Kärtchen, einige Tafeln (darunter die "Ämtertafeln"), viele kleine Plättchen und vor allem 24 Politikerkarten. Jeder Politiker ist darauf mit Bild, Namen und Alter angegeben. Um die Seriosität des Spiels zu verdeutlichen, möchte ich gerne einige Namen wiedergeben: Juri Nikotin, Sergej Vetzak, Nikolai Byrojew, Eduard Zuhorstrapadse, u.ä. Mit den Ämtertaschen wird das Politbüro pyramidenförmig ausgelegt: An der Spitze der Parteichef, auf der zweiten Ebene von links nach rechts KGB-Chef, Außenminister und Verteidigungsminister. Auf der dritten Ebene sind die vier restlichen Politbüroposten Chefideologe, Industrieminister, Landwirtschaftsminister und Sportminister. Darunter gibt es noch Platz für 5 Kandidaten. Bis auf den Parteichef (ein greiser Mann namens Aparatschik leitet noch die Sowjetunion) werden nun die Posten zufällig verteilt, der Rest der Politikerkarten kommt auf die Tafel "Volk". Und dann geht's schon los im Jahre 1951!

Doch halt, wer leitet eigentlich welchen Politiker? Anders als in üblichen Brettspielen hat man bei Kreml keine fixe Figur. Man stellt vielmehr einen Hintermann dar, der versucht, die Geschicke des Staates (oder doch vielmehr die Macht?) im Hintergrund zu lenken. Dazu notieren sich alle Spieler geheim die Namen von 10 beliebigen Politikern (bis auf den unbeeinflussbaren Aparatschik), denen sie Einflusspunkte von 1 bis 10 zuteilen. Je mehr Punkte, desto mehr Einfluss, versteht sich. Wann immer nun ein Spieler einen Politiker eine Aktion durchführen lassen will, legt er einen Teil oder sämtliche Einflusspunkte offen. Natürlich kann man nicht mehr Einflusspunkte offen legen, als man geheim zugeteilt hat. Wer die meisten Einflusspunkte für einen Politiker offenbart, "führt" diesen. Im Laufe des Spiels ist es dann wichtig, "seine" Politiker an die Macht zu bringen, denn es gewinnt, wer auf den bei Spielende herrschenden Parteichef die meisten geheimen Einflusspunkte gesetzt hat.

Doch nun zum normalen Jahresablauf. Da werden zuerst kranke Politbürolisten gefragt, ob sie auf Kur gehen wollen oder trotzdem ihre Arbeit verrichten wollen. Das Sanatorium ist zwar für den Gesundheitszustand sehr hilfreich, andererseits muss man dafür einige Nachteile in Kauf nehmen: Kein Stimmrecht bei diversen Abstimmungen, keine Funktion (diverse Arbeiten werden von Stellvertretern verrichtet) und vor allem ist der kurende Politiker um vieles leichter auf die eine oder andere Art abzusägen. Ein Verbleiben im Amt allerdings ist für einen kranken Politbürolisten sehr stressig, was sich in einem rascheren Alterungsprozess auswirkt (pro Stresspunkt wird das Alter um ein Jahr erhöht).

Als nächstes tritt der KGB-Chef in Aktion, der versuchen kann, jede ihm missliebigen Person auf Urlaub ins ach so sonnige Sibirien zu schicken. Je höher die Funktion, desto schwieriger wird's allerdings, auf jeden Fall sorgen solche Säuberungsaktionen wieder für viel Stress für den Säuberer. Eine fixe Einteilung zeigt, wer den KGB-Chef im Falle seiner Abwesenheit vertritt.

Danach versucht der Verteidigungsminister, imperialistische Spione im Politbüro aufzuspüren. Dies ist jedoch etwas schwieriger, denn zunächst muss einmal eine Untersuchung eingeleitet werden, ehe im darauffolgenden Jahr im Politbüro über eine eventuelle Anklage abgestimmt wird. Findet sich nicht mehr als eine Gegenstimme, wandert der Angeklagte nach Sibirien. Es versteht sich von selbst, dass alle Betroffenen wieder Stresspunkte kassieren.

Nun wird der Gesundheitszustand ermittelt. Mit dem 20seitigen Würfel wird für jeden Politbürolisten gewürfelt und das Ergebnis in einer Tabelle abgelesen. Da kann sich ein Politiker schon mal einen kleinen Kreislaufkollaps (dargestellt durch Kreuze) holen. Und verschlimmert sich die Krankheit zu sehr (sobald der Politiker drei Kreuze hat), verstirbt er und wird an der Kremlmauer beigesetzt. In dieser Phase zeigt sich nun, wie wichtig es ist, Stress zu vermeiden, denn mit zunehmenden Alter steigt die Gefahr für solche Kreuze. Auf Kur befindliche Politiker sind weniger anfällig und können sogar gesunden.

Haben die vorangegangenen Vorkommnisse ein Ausscheiden des bisherigen Parteichefs zur Folge (Tod, Sibirien u.ä.), muss ein neues Oberhaupt gewählt werden. Eine Abstimmung unter allen anwesenden Politbürolisten über einen vom Außenminister vorgeschlagenen Politiker, bei mehrheitlicher Ablehnung noch über einen zweiten Politiker soll den neuen Regierungschef bringen. Danach werden noch frei gewordene Plätze im Politbüro nachbesetzt und eventuell auch Politiker aus Sibirien rehabilitiert.

Der wichtigste Teil kommt zum Abschluss eines jeden Jahres: die Oktoberparade, die über das Spielende entscheidet. Der amtierende Parteichef muss dafür die äußerst aufreibende Arbeit verrichten, vom Balkon des Kremls den vorbeimarschierenden Truppen zuzuwinken. Dies ist umso schwieriger, je angeschlagener seine Gesundheit ist. Bei Gelingen (Würfelwurf) wird sein Name auf dem Notizblock vermerkt und sobald ein Name zum dritten Mal erscheint, endet das Spiel. Die Spieldauer kann daher kürzer oder länger sein, nach 10 Jahresabläufen ist aber auf jeden Fall Schluss und der Sieger wird ermittelt.

Beim Aufdecken der geheimen Einflusspunkte kann es dann auch die eine oder andere Überraschung geben. Das macht aber den Reiz des Spiels aus. Stilles Werken im Hintergrund, nur Einschreiten bei wichtigen Entscheidungen, hin und wieder energisches Vorgehen gegen unliebsame Kandidaten ist das richtige Rezept für den Sieg. "Kreml" ist sicher kein einfaches Spiel, und Anfänger haben mitunter mit erheblichen Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen, aber wenn man den Mechanismus einmal durchschaut hat, offenbaren sich einem immer wieder neue Perspektiven und Möglichkeiten. Die daraus resultierende Interaktion macht es, dass das Spiel immer wieder eine neue Herausforderung ist. Nicht zu Unrecht gelang "Kreml" sogar in den USA der Sprung in die "Hall of Game", unter dem Namen "Kremlin" erscheint es dort in einer sehr guten Aufmachung bei Avalon Hill. Erwähnt werden sollte noch, dass der Mechanismus der verdeckten Einflusspunkte erstmals von Eric Solomon in dem Spiel "Agent" (Pelikan-Buchkassettenserie; vor ein paar Jahren auch unter dem Namen "Casablanca" bei Amigo-Spiele erschienen) verwendet wurde, aber noch um einige Nuancen erweitert und meiner Meinung nach auch verfeinert wurde.

Franky Bayer

Bewertung: 5 Punkte