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Knobelritters Spielearchiv - Le Havre

Art des Spiels: Wirtschafts- und Aufbauspiel
Spieleautor:    Uwe Rosenberg
Verlag:         Lookout Games
Jahrgang:       2008
Spielerzahl:    1 bis 5 Spieler
Alter:          ab 12 Jahren
Dauer:          100 bis 200 Minuten
Preis:          ca. € 39,-

Zielgruppen:    Spielexperten ++
                Zweipersonen (+)

"Freaks"? Wie bitte?

Nein, Freaks sind wir "Ritter der Knobelrunde" sicher nicht. Spielbegeistert ja, ein bisschen verrückt vielleicht, aber wir beschäftigen uns schon eher mit "normalen" Brett- und Kartenspielen. Also weder mit Rollenspielen oder gar mit Live-Rollenspielen, noch mit Table Tops, CoSims oder Trading Card Games, welche eher ein - sagen wir - "spezielles" Klientel haben.

Aber trotzdem kommen manchmal Spiele auf den Spieltisch, die doch etwas mehr Aufwand erfordern, sowohl was Zeit als auch Konzentration und Gehirnaufwand betrifft. Und die Besseren, Bekannteren davon werden dann in den "Game News", dem offiziellen Organ der Knobelritter, vorgestellt. Das letzte derartige Spiel war "Agricola", ein mehrfach ausgezeichnetes Spiel, das wegen seiner tollen Ausstattung und seiner Vielfalt, welche aus über 300 verschiedenen Karten resultiert, zu faszinieren verstand. Uwe Rosenberg, der Spieleautor, hat nun nachgelegt: "Le Havre" ist der zweite Teil der sogenannten "Erntezeit"-Trilogie, deren 3.Teil erst in den nächsten Monaten erscheinen soll.

"Le Havre" weist deshalb viele ähnliche Elemente aus "Agricola" auf, so sammelt man auch hier Rohstoffe, um sie entweder zur notwendigen Ernährung zu nutzen, oder um sie einzusetzen, um die Infrastruktur des eigenen Besitzes zu verbessern. Doch das Spiel besitzt zu viele eigenständige Mechanismen, um es als bloße Spielvariante zu bezeichnen.

Das beginnt schon beim Nachschub: Während es bei "Agricola" nur zu Beginn jeder Runde Nachschub an Rohstoffen gab, kommen hier zu Beginn jedes Spielzug zwei neue Rohstoffe hinzu. Welche das sind, hängt vom Nachschubplättchen ab, auf das der Spieler an der Reihe seinen Schiffstein bewegt. Die entsprechenden Rohstoffe werden auf das passende Angebotsfeld des Hafenbeckens gelegt.

Anschließend muss sich ein Spieler in seinem Spielzug zwischen zwei möglichen Hauptaktionen entscheiden: Entweder nimmt er alle Rohstoffe eines beliebigen Angebotsfeld des Hafens. In der Regel wird ein Spieler zu jenen Rohstoffen greifen, von denen entweder momentan sehr viele im Angebot sind, oder solche, die er unbedingt braucht, um in Folge bestimmte Aktionen durchführen zu können. Alternativ kann er seinen Personenstein in ein beliebiges freies Gebäude versetzen und dann die entsprechende Gebäudeaktion ausführen. Ist man selbst der Besitzer des Gebäudes, kostet das Betreten nichts. Für die Nutzung von fremden Gebäuden ist allerdings häufig eine Gebühr in Form von Nahrung oder Geld fällig.

Die Gebäude sind das Um und Auf von "Le Havre", es kommen immerhin fast 70 verschiedene Gebäudekarten im Spiel vor. Es empfiehlt sich daher eine nähere Betrachtung der unterschiedlichen Gebäudearten.

Sehr wichtig sind jene Gebäude, welche die Errichtung neuer Gebäude erlauben, wie etwa das "Bauunternehmen". Setzt man seinen Personenstein in ein derartiges Gebäude, darf man eines der dafür vorgesehenen Bauvorhaben verwirklichen, indem man die entsprechenden Rohstoffe abgibt. Das neu errichtete Gebäude fügt man dann seiner Auslage, seinem persönlichen Hafenausschnitt zu. Dort zählt es bei Spielende nicht nur den angegebenen Wert an Franc, sondern kann während des Spiels auch noch die eine oder andere Nutzungsgebühr der Mitspieler einbringen.

Andere Gebäude dienen der Rohstoffproduktion, so erhält man zum Beispiel bei Nutzung einer "Eisenhütte" drei, unter Umständen auch vier "Eisen". In wiederum anderen Gebäude lassen sich Rohstoffe "veredeln". So kann beispielsweise das oben erwähnte "Eisen" in einem "Stahlwerk" in wertvolleren "Stahl" umgewandelt werden. In einem "Schlachthof" kann "Vieh" in nahrhafteres "Fleisch" verarbeitet werden, bei diesem Prozess fällt sogar noch nützliches "Fell" ab. Bei einigen Gebäuden muss jedoch für den Vorgang auch ausreichend Energie eingesetzt werden. Um etwa im "Backhaus" Korn zu Brot backen zu können, muss für jeden "Korn"-Marker eine halbe Einheit Energie - zum Beispiel aus "Holz" oder "Kohle" - aufgewendet werden. Die Umwandlung selbst ist übrigens sehr praktisch gelöst, denn es müssen keine Rohstoffmarken ausgetauscht, sondern nur die entsprechenden Marken auf ihre Rückseite gedreht werden.

In Hinsicht auf das Spielziel, mit seinen eigenen Gebäuden zusammen mit dem Barbestand möglichst viel Vermögen anzuhäufen, können einige Gebäude besonders lukrativ sein. So wird beispielsweise in der "Bekleidungsindustrie" jede Kombination aus "Fell" und "Leder" mit stolzen 7 Franc entlohnt. Manchmal gibt es jedoch nur eine beschränkte Kapazität, so sind zwar in der "Baguetterie" je 1 "Brot" und "Steak" 6 Franc wert, doch darf man diese in einem Spielzug nur maximal 4 x verkaufen.

Einen Sonderstatus nimmt die "Werft" ein, und das aus gutem Grund. Nur in einer Werft können logischerweise Schiffe gebaut werden, die für die langfristige Nahrungsversorgung (dazu noch gleich mehr) von großer Bedeutung sind. Die etwas später auftauchenden Stahlschiffe und vor allem die Luxusliner bringen aber auch sehr viel Geld für die abschließende Wertung.

Zusätzlich zur Hauptaktion kann man jederzeit in seinem Spielzug beliebig viele Gebäude und Schiffe kaufen und verkaufen. Zum Kauf stehen alle Gebäude zur Verfügung, die sich im Besitz der Stadt befinden, sowie alle Bauvorhaben und alle offen liegenden Schiffskarten. Verkauft man hingegen ein Gebäude oder ein Schiff, so erhält man nur die Hälfte des angegebenen Kaufpreises.

Wie bereits bei Agricola muss auch bei "Le Havre" auf ausreichende Ernährung geachtet werden. Nach genau sieben Spielzügen endet eine Runde nämlich mit einer Ernährungsphase. Eine Rundenkarte gibt vor, wie viel Nahrung notwendig ist. Einige Rohstoffe tragen Kochtopfsymbole als Zeichen, dass sie als Nahrungsmittel dienen können, (Fisch, Fleisch, Brot, etc.), zusätzlich wird für jedes eigene Schiff die abzugebende Nahrung laut einer Tabelle reduziert. Wer nicht genügend Nahrung hat, muss Geld (im Tauschwert 1:1) bezahlen, notfalls gegen Verkauf von Gebäuden und/oder Schiffen oder mit Aufnahme von Schuldscheinen.

Nach einer vorgegebenen Anzahl an Runden (zum Beispiel 20 Runden zu viert) folgt eine Schlussaktion. Danach berechnet jeder Spieler seinen Reichtum, indem er zu seinem Barvermögen noch die Werte seiner Gebäude und Schiffe dazuzählt und für jeden nicht zurückgezahlten Schuldschein 7 Franc abzieht. Eventuelle Waren im Vorrat der Spieler haben keinen Wert. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass der reichste Spieler gewinnt.

Im Vergleich zu "Agricola" fällt auf, dass weit weniger Karten im Spiel vorkommen. "Agricola" bietet dadurch zwar mehr Abwechslung, ist aber auch etwas ungerechter, da jeder Spieler ja seine eigenen Anfangskarten erhält, aus denen er im Spiel das Beste draus machen soll. Durch diese unterschiedliche Ausgangslage kann es durchaus vorkommen, der eine bessere, der andere schlechtere Kartenkombinationen erhält. "Le Havre" ist da wesentlich ausgeglichener, es gibt gar keine Handkarten und sämtliche Gebäude stehen jedem Spieler zur Verfügung. Sogar die Reihenfolge, in der die Gebäude im Spiel auftauchen, ist für alle offen ersichtlich. Mir erscheint das Spiel auch viel geradliniger konzipiert. Die taktischen Möglichkeiten sind trotzdem - oder gerade deswegen - sehr vielfältig.

Was schon bei "Agricola" begeistert, ist auch hier die tolle Abstimmung auf die jeweilige Spielerzahl. Die Rundenzahl, die erforderlichen Nährwerte pro Runde, die Nahrungswerte aller Schiffe, aber auch welche Gebäude überhaupt im Spiel vorkommen, ist davon abhängig, wie viele Spieler teilnehmen. Die Standardgebäude werden übrigens zwar gemischt, aber dennoch nach einer logischen, aufbauenden Folge in drei "Bauvorhaben"-Stapel aufgeteilt. Als gelernter Statistiker hat Uwe Rosenberg zahlreiche Spielhilfen und Tabellen beigefügt, und zwar auf geschickte Art und Weise auf den jeweiligen Karten selbst. Dies erleichtert die Planung ungemein.

Und Planung ist genau das, was im Spiel gefordert wird. Es gibt sehr, sehr viel zu beachten, weshalb "Le Havre" wirklich nur geübten Spielern zu empfehlen ist. Und selbst dann ist man die ersten Partien bloß damit beschäftigt, die Funktionen der einzelnen Gebäude möglichst richtig zu nutzen. Erst später kommt man darauf, wie sie am besten in die eigene längerfristige Planung eingebaut werden können, wie die optimale Reihenfolge einer Produktionskette ausschaut, etc. Die Interaktion hingegen beschränkt sich auf das Wegschnappen von Rohstoffen und Besetzen von Gebäuden.

Dafür, dass trotzdem nie ein Spiel dem anderen gleichen kann, sorgen 36 "Sondergebäude", von denen in jedem Spiel maximal 6 verdeckt zum Einsatz kommen. Diese Gebäude können sehr große Vorteile bringen, tauchen aber erst allmählich im Laufe des Spiels auf, sodass man sich nicht im Voraus darauf einstellen kann. Sie sind meiner Meinung nach das Salz in der Suppe, sie bringen ein Quäntchen Unsicherheit ins Spiel, sodass man auch mal kurzfristig umplanen und flexibel reagieren muss.

"Le Havre" ist mit Sicherheit kein Spiel für Gelegenheitsspieler und Glücksritter, allein schon die lange Spieldauer - zu viert muss man mit ungefähr drei Stunden rechnen - dürfte diese abschrecken. Spieler, die Freude an komplexen, perfekt abgestimmten Aufbauspiele haben, kann ich das Spiel aber wärmstens ans Herz legen. Meiner Meinung ist es sogar noch ein wenig besser4 als das bereits hoch gelobte "Agricola".

Franky Bayer

Bewertung: 5 Schilde