April
MoDiMiDoFrSaSo
1 2K3 4 5R6 7
8 9K1011S12S1314
1516K1718L19L2021
2223K2425S26SO2728
2930 1 2 3 4 5
b
Legende:
Knn Ritter der Knobelrunde
Snn Spieletreff - Auwiesen
Snn Spieletreff - Franckviertel
Snn Spieletreff - Keferfeld-Oed
Snn Spieletreff - Pichling
Lnn LinzCon 2024
Onn Offener Spieleabend - Vöcklabruck
Rnn Würfelschänke Ried
<- Villa Paletti^Villainous - Böse bis ins Mark ->

Knobelritters Spielearchiv - Village


Ist euch schon mal aufgefallen, wie herzlos und brutal wir Spieler eigentlich sind? Da werden Könige gemeuchelt, Ritter getötet, Soldaten auf dem Schlachtfeld niedergemetzelt, Cowboys und Indianer erschossen, bedauernswerte Wesen mit Schwertern niedergestreckt, etc. Und machen wir uns irgendwelche Gedanken darüber, plagen uns auch nur ansatzweise Gewissensbisse? Mitnichten! Selbst beim harmlosen Schach kalkulieren wir Bauernopfer ein. Und wenn bei "Risiko"-Gefechten Zigtausende Gefallene zu beklagen wären, bezeichnen wir mit einem gleichgültigen Achselzucken die Verluste zynisch als "Kollateralschaden" und ärgern uns höchstens über eine verlorene Stellung. Mir kommen angesichts dieser menschenverachtenden Einstellung dem Tod gegenüber langsam Zweifel am als "Kulturgut" gehandelten Spiel.

Gott sei Dank geht es auch anders! Beim neuesten Spiel aus dem Hause "Pegasus" wird beim Ableben einer Spielfigur ihrem Wirken während ihres (Spiele-)Lebens gedacht. Die Aufnahme in die Dorfchronik ist dabei besonders erstrebenswert, da dies wertvolle Siegpunkte verspricht. Während bei anderen Spielen auf welche Weise auch immer verstorbene Spielfiguren in die Anonymität der Spieleschachtel verschwinden, gilt es bei "Village" - so der Titel des Spiels - ganz im Gegenteil, seinen Figuren rechtzeitig einen möglichst würdevollen Abschied zu bereiten.

Doch zuerst einmal steht das Leben im Mittelpunkt, mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten. Auf das Wesentliche konzentriert ist "Village" nämlich ein "worker placement game". Dies bedeutet, dass unsere Dorfbewohner im Laufe einer Runde, manchmal aber auch für deutlich länger, gewissen Tätigkeiten des Dorflebens zugeteilt werden. Die Bereiche dafür finden sich farblich hervorgehoben auf dem großen Spielplan wieder. Auf jeden dieser Bereiche werden zu Beginn jeder Runde eine bestimmte Anzahl an Holzwürfelchen gelegt, welche zufällig aus einem Leinenbeutel gezogen werden. Die Anzahl der in einem Bereich vorhandenen Würfel gibt vor, wie oft die damit verbundene Aktion in einer Runde genutzt werden darf.

Die Würfel stellen übrigens keine unterschiedlichen Rohstoffe dar, sondern stehen für Eigenschaften wie Können (orange), Überzeugungskraft (grün), Glaube (braun) und Wissen (rosa). Bei der Wahl eines Holzwürfels wird daher stets auch die weitere Verwendung in Betracht gezogen. Die schwarzen Würfel sind sogenannte "Peststeine", welche eher Nachteile bringen und man deshalb meist nur dann nimmt, wenn es absolut notwendig ist.

Wer an der Reihe ist, nimmt zuerst einen Holzwürfel vom Plan und darf anschließend eine entsprechende Aktion durchführen. Bereiche, in denen sich kein Würfel mehr befindet, stehen folglich (normalerweise) nicht mehr zur Verfügung. Eine Runde endet, sobald auf diese Weise der letzte Würfel genommen und somit die letzte Aktion durchgeführt wurde. Für die nächste Runde werden alle Bereiche wieder aus dem Leinenbeutel bestückt. Das Spiel geht über so viele Runden, bis eine der beiden Bedingungen zum Spielende (Genaueres dazu später) erfüllt ist.

Nun aber zu den verschiedenen Aktionen. Da ist zuerst einmal die Getreideernte. Dafür muss sich bloß mindestens eine Spielfigur auf dem Hof befinden, dann können zwei Getreidesäcke geerntet werden. Dieser Ertrag kann mit dem Besitz eines Pfluges sowie einem Pferd oder eines Ochsen auf bis zu 4 Getreidesäcke gesteigert werden, allerdings beträgt die maximale Lagerkapazität 5 Säcke.

Nächster wichtiger Bereich des Lebens ist das Handwerk. In Handwerksbetrieben kann man an Güter wie Planwägen (Wagnerei), Ochsen und Pferde (Ställe), Schriftrollen (Schreibstube) und Pflüge (Schmiede) gelangen. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Entweder man erwirbt ein Gut, indem man dafür mit bestimmten Holzwürfeln bzw. Getreide "bezahlt". Oder aber man stellt ein Gut selbst her, indem man zuerst ein Familienmitglied in einem Handwerksgebäude ausbilden lässt, und anschließend ohne weitere Kosten das entsprechende Gut erzeugen kann. Dies ist sogar noch in Folge möglich, solange ein Handwerker in einem Handwerksbetrieb arbeitet.

Nachdem die Familie jedes Spielers anfangs gerade mal aus vier Familienmitgliedern besteht, spielt die Aktion Familie, bei der ein Spieler eine neue Spielfigur erhält, natürlich eine wichtige Rolle. Die Spielfiguren sind übrigens mit Ziffern versehen. Nur die Figuren mit der Zahl "1" sind schon von Beginn an im Spiel. Erwartet die Familie Nachwuchs, wird stets die Spielfigur mit der kleinstmöglichen Zahl aus dem Vorrat genommen.

Alle bisherigen Aktionen sind sicher wichtig für den Fortbestand einer Familie. Doch als Handwerker, Familienvater und Bauer steigert man nicht unbedingt das Ansehen im Dorfe, weshalb es für ambitionierte Familienmitglieder noch beliebtere Betätigungsfelder gibt. Zum Beispiel die Politik. Wer etwas auf sich hält, schickt seine Söhne und Töchter in die Ratsstube, um dort Einfluss auszuüben. Mit ausreichend Überzeugungskraft (grüne Würfel) schafft man es in immer einflussreichere Bereiche und kann immer bessere Boni (Startspieler-Marker, Holzwürferl, Siegpunkte, etc.) einstreifen.

Aber auch die Kirche bietet schöne Aufstiegschancen. Wer dort Karriere machen will, muss allerdings etwas auf göttliche Hilfe hoffen. Ein Familienmitglied wird nämlich nicht sofort im Klerus aufgenommen. Am Ende der Runde werden zufällig vier Figuren aus einem Beutel gezogen, wobei da auch neutrale Figuren auftauchen können. Nur eine kleine Spende kann eine direkte Aufnahme garantieren. In Folge sind noch teils großzügige Getreidelieferungen nötig, um in der kirchlichen Hierarchie aufzusteigen.

Doch nicht nur im Dorf selbst kann man sich Ruhm und Ansehen erwerben. Wie heißt es so schön: "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen." Die Erfahrungen und Erlebnisse eines Reisenden lassen ihn unvergessen werden und finden sogar in der Dorfchronik Einzug. Erforderlich dafür sind ein Planwagen für jede Etappe seiner Reise, sowie je nach Etappe ausreichend Wissen, Können und/oder Glaube.

Fehlt nur mehr eine erfolgversprechende Tätigkeit im Dorf, nämlich als Kaufmann am Markt. Ein Markttag wird zwar im Normalfall nur einmal pro Runde ausgerufen, dafür ist dieser öffentlich, sodass jede Familie die Möglichkeit hat, ihre Güter am Marktstand an den Kunden zu bringen. Die Nachfrage nach bestimmten Gütern wird dabei durch Kundenplättchen geregelt. Voraussetzung für einen geschickten Kaufmann ist selbstredend eine gewisse Überzeugungskraft.

Diese vier verschiedenen Lebenswege - als Geistlicher, Dorfpolitiker, Reisender oder Kaufmann - bringen die für den Spielsieg notwendigen Siegpunkte. Dabei gibt es unterschiedliche Berechnungen. In der Kirche und in der Ratsstube erhält man für jede Spielfigur Punkte. Je mehr ein Familienmitglied Karriere gemacht hat, umso höher fällt die Punkteausbeute aus. Ein Kaufmann erhält für jedes erfüllte Kundenplättchen die darauf angegebenen Punkte gutgeschrieben. Hier gilt: Je wertvoller die geforderten Güter, desto höher die Punkte. Auf Reisen hingegen gibt es eine progressiv ansteigende Punktezahl für besuchte Städte. Während man für nur eine besuchte Stadt gerade mal einen mickrigen Punkt einheimst, werden richtige Weltenbummler, welche in allen sechs Städten gewesen sind, mit stolzen 18 Punkten belohnt. Wer schlussendlich - auf welche Weise auch immer - den Ruhm seiner Familie am meisten mehren konnte, gewinnt das Spiel.

Jetzt aber - endlich! - zur eingangs erwähnten Betrachtung über den Tod. Ein wichtiger Aspekt des Spiels ist nämlich der Faktor "Zeit." Fast jede Aktion verbraucht nämlich Lebenszeit: Die Lehrzeit in einem Handwerksbetrieb, die Herstellung eines Gutes, die Amtsgeschäfte in der Ratsstube, die Verkäufe am Markttag, die Bewegung auf dem Reiseplan, das Nehmen eines Peststeins, etc. Für jedes angegebene Sanduhr-Symbol muss der Marker auf der Lebenszeitleiste des Hofplans um ein Feld vorwärtsgerückt werden.

Überschreitet der Marker dabei die Brücke, segnet eine Spielfigur das Zeitliche. Man wählt dafür eine seiner ältesten Figuren (erkennbar an der niedrigsten im Spiel befindlichen Zahl), die man sterben lässt. Befindet sich für die Figur noch Platz in der Dorfchronik, wird die Figur in den entsprechenden Bereich gelegt, ansonsten kommt sie in ein noch freies anonymes Grab am Friedhof. Zwar kann die Figur dort auch in Frieden ruhen, bringt aber keinen weiteren Vorteil. Figuren in der Dorfchronik können hingegen - abhängig von ihrer Anzahl - am Spielende noch für zusätzliche Ruhmespunkte sorgen. Dorfchronik und Friedhof sind auch für das Spielende verantwortlich, denn wenn in einem dieser Orte der letzte freie Platz belegt wird, endet das Spiel nach Ende der Spielrunde.

Es ist dieses ungewöhnliche Figurenmanagement, welches den großen Spielreiz und die erfrischende Originalität von "Village" ausmacht. In vielen anderen Spielen kommt es bloß darauf an, möglichst viele Spielfiguren zu besitzen, um viele Aktionen durchführen zu können. Hier allerdings muss man nicht nur eine Strategie für den Familienerfolg verfolgen (es empfiehlt sich, sich auf zwei bis höchstens drei Bereiche zu konzentrieren), sondern auch das taktisch geschickte Ableben seiner Figuren im Auge behalten. Timing ist dabei alles, da kann es durchaus schon mal vorkommen, dass man den Alterungsprozess gezielt beschleunigt, um noch schnell vor einem Mitspieler einen bestimmten Platz in der Dorfchronik ergattern zu können. Thema und Spielablauf bilden hier eine absolut runde Einheit, sodass es nicht verwundert, dass "Village" in unserem Spieleklub - und nicht nur dort! - so gut ankommt. "Village" ist meiner Meinung nach eines der besten anspruchsvollen Spiele der letzten Jahre.

Franky Bayer

Bewertung: 5 Schilde