April
MoDiMiDoFrSaSo
1 2K3 4 5R6 7
8 9K1011S12S1314
1516K1718L19L2021
2223K2425S26SO2728
2930 1 2 3 4 5
b
Legende:
Knn Ritter der Knobelrunde
Snn Spieletreff - Auwiesen
Snn Spieletreff - Franckviertel
Snn Spieletreff - Keferfeld-Oed
Snn Spieletreff - Pichling
Lnn LinzCon 2024
Onn Offener Spieleabend - Vöcklabruck
Rnn Würfelschänke Ried
<- Die Abenteuer des Robin Hood^Die Alchemisten ->

Knobelritters Spielearchiv - Die Abtei der wandernden Bücher

Art des Spiels: exklusives Wort-Rätselspiel
Spieleautor:    Thomas Fackler
Verlag:         Eigenproduktion
Jahrgang:       1991
Spielerzahl:    3 bis 5 Spieler
Alter:          ab 12 Jahren
Dauer:          ca. 60 bis 90 Minuten
Preis:          ca. € 1800,-

Da liegt sie nun vor mir, die berühmte "Abtei der wandernden Bücher", welche, wie kein anderes Spiel im deutschsprachigen Raum die Gemüter bewegt und die Spielefachwelt spaltet. 5 kg hochwertigstes Material (eine Inventarliste zeigt, aus welchen Stoffen die einzelnen Bestandteile gefertigt wurden) zu einem Preis, der nun schon jenseits der 20.000 Schilling-Grenze liegt (aktueller offizieller Verkaufspreis: 2.980 DM)! Wo andere Hersteller in der Auswahl vom Spielmaterial Abstriche machten, um ja noch einen akzeptablen Endpreis zu erhalten, ist Thomas Fackler, ein gelernter Graphikdesigner aus dem bayrischen Aystetten gleich mit seinem ersten Opus kompromisslos (und nebenbei mit viel Risiko) an den Spielemarkt herangetreten. Seine Spiele (zumindest die 2, welche er bis jetzt fertiggestellt hat) richten sich daher auch mehr an den verspielten Kunstsammler als an den Spieler. Doch gerade als Angehöriger der letzteren Kategorie möchte ich jetzt dieses Werk beleuchten und rein den spielerischen Wert beurteilen.

Also zum Spiel: Es lehnt sich an den Roman "Der Name der Rose" von Umberto Eco an, schon das "Regelwerk" mit der stilgerechten Geschichte, welche die Spielregel enthält, gibt die Atmosphäre eines Klosters Anfang des 14. Jahrhunderts sehr gut wieder. Die edlen und schön gestalteten Spielbestandteile tun ihr übriges. Hier nur eine kurze Übersicht, was alles in der schwarzen Schachtel zu finden ist: Spielplan, Regelwerk, Zeitstein, 10 Figuren, 4 Blöcke, 4 Bleistifte, 1 Radiergummi, 1 Spitzer, 4 Sichtschirme, 10 Folianten und ein Alphabet, d.h. Kärtchen mit den Buchstaben; dies alles übersichtlich in Setzkästen untergebracht.

Ein Spieler übernimmt die Rolle des Abtes, der die Aufgabe hat, ein Rätsel in Form eines Lösungswortes zu stellen. Die anderen 2 bis 4 Spieler sind dann die Mönche, welche dieses Wort zu erraten trachten. Das Lösungswort besteht aus 5 bis 10 Buchstaben und sollte ein deutsches Hauptwort sein. Die 10 Karten mit den Buchstaben drauf (bei weniger als 10 Buchstaben werden Leerzeichen verwendet) steckt der Abt nach einem gewissen Schema (Wortanfang - Wortmitte - Wortende) in hölzerne "Folianten" und verteilt diese in die äußeren Gebäude auf dem wunderschönen Spielplan. Auf diesem sind ein Plan der Abtei sowie ein Zeitplan abgebildet. Die Abtei besteht im großen und ganzen aus einem zentralen Gebäudekomplex (Kirche, Kreuzgang, Dormitorium/Refektorium), 6 kleineren Gebäuden entlang der Außenmauer, dem Aedifizium (der Bibliothek) und unregelmäßig angeordneten Feldern zwischen all den Gebäuden.

Zu Beginn stehen alle Figuren der "Mönch"-Spieler (jeder hat einen Mönch und einen kleineren Novizen) vor dem Eingangstor, die Figuren des "Abt"-Spielers (Abt und Bibliothekar) beliebig innerhalb der Abtei. Für alle Spieler gilt: die größeren Figuren (Mönche, Abt) können sich maximal 2 Felder fortbewegen, die kleineren (Novizen, Bibliothekar) ziehen bis zu 4 Felder. Da nur die Mönche lesen können, sie dafür aber recht langsam sind, bringen die Novizen im Laufe des Spiels ihren Mönchen die Folianten aus den Gebäuden. Das Inbesitznehmen der Bücher geschieht einfach durch Draufstellen der Figur. In jeder Runde, in der ein Mönch auf einem "Buch" steht, und sich noch dazu nicht bewegt, kann dessen Spieler den darin versteckten Buchstaben für sich lesen und hinter seinem Sichtschirm auf seinem Lösungsblock notieren. So sammeln die Spieler mit der Zeit ihre Informationen. Der "Abt" kann seinerseits einige Aktionen setzen, um das Lösen des Rätsels zu verhindern: Er kann zum Beispiel Bücher blockieren (er stellt sich einfach drauf), Felder blockieren (auf jedem Feld darf sich nur ein Buch befinden, was den Transport der Bücher erschwert) oder sogar andere Figuren von Büchern stoßen. Außerdem kennt der Abt Geheimgänge zwischen den Gebäuden und kann sofort von einem Gebäude zu einem beliebigen Gebäude huschen. Ja, er kann selbst das Aedifizium betreten, welches für alle anderen Figuren verschlossen bleibt.

Ein weiterer Spielmechanismus ist jener, der dem Spiel den Namen gab: Das Wandern der Bücher. Jeder Spieler kann, wenn er an der Reihe ist, die Bücher bewegen, der Fachausdruck ist "Stampfen". Alle Bücher, die sich in Gebäuden befinden und nicht durch eine Figur besetzt sind, wandern dann im Uhrzeigersinn ins nächste Gebäude. Dies ist auch die einzige Möglichkeit der Mönche, an die Bücher des Aedifiziums ranzukommen. Ebenso zwingt dieser Mechanismus die Mönche und Novizen dazu, die Bücher nicht nur im Hof stehen zu lassen, sondern auch wieder in die Gebäude zurückzutragen. Die Reihenfolge der einzelnen möglichen Aktionen, die ein Spieler in einer Runde durchführen kann, ist beliebig und dadurch auch Bestandteil taktischer Überlegungen.

Was hat es nun mit dem Zeitplan auf sich? Dieser spiegelt den Tagesablauf, gegliedert in Stunden, wider, jede Runde eine Stunde sozusagen. Doch zu bestimmten Stunden müssen sich alle Figuren an bestimmten Orten einfinden, so etwa um 12 Uhr zum Mittagessen ins Refektorium. Ab der nächsten (R/St)unde geht's dann von dort weiter. Am Ende des ersten Tages begeben sich alle Figuren ins Dormitorium, in der Nacht haben alle "Mönchspieler" dann noch die Gelegenheit, ein Buch des Aedifiziums zu "lesen" (William von Baskerville aschleicht sich ja auch nächtens in die Bibliothek). Darauf folgt der zweite Tag, an dem die Spieler das Rätsel lösen müssen, denn nach Ablauf des zweiten Tages endet auf jeden Fall das Spiel. Derjenige Mönch, der das Lösungswort zu kennen glaubt, kann statt eines Zuges auch einen Lösungsversuch wagen (in der Regel kommt es am 2. Tag zu mehreren solchen). Nennt er die richtige Lösung, hat er gewonnen. Schafft es jedoch bis zum Ende des zweiten Tages kein Mönch, so gewinnt der Abt das Spiel.

Was sich hier in dieser Zusammenfassung (mehr sollte das auch nicht sein) wie ein reines Questenspiel anhört, ist aber in Wirklichkeit ein hochgradiges Taktik- und Kombinationsspiel mit interessantem Wechselspiel zwischen Abt und Mönchen. Einerseits müssen die Mönche in vielen Fällen gemeinsam gegen den Abt vorgehen, der sehr böswillig gespielt werden kann, andererseits arbeitet man aber auf eigene Faust, man will schließlich als erster das Rätsel lösen und so das Spiel gewinnen. Ähnlich wie bei vielen Taktikspielen gibt es hier eine Fülle von Optionen, Strategien und Gegenstrategien, welche man erst nach einigen Spielen überschaut. Die Abtei verwandelt sich in ein Schachbrett, auf dem der schwarze Abt seine Figuren (die Bücher mit den Informationen) verbissen gegen die weißen Mönche verteidigt. Je öfter man spielt, desto mehr eröffnen sich einen die taktischen Feinheiten. Nicht zu vergessen das Buchstabenrätsel, welches schon fast ein Spiel für sich ist. Selbst mit wenigen Buchstaben können Leute mit Kombinationsgabe das Lösungswort finden. Die Chancen des Abtes, das Spiel zu gewinnen, liegen nach meinen Erfahrungen übrigens etwa gleich hoch wie die jedes einzelnen Spielers.

Fazit: Über Sinn und Unsinn, Spiele in exklusivster Aufmachung mit derart hohen Preisen auf den Markt zu bringen (auch "de luxe"-Editionen von Monopoly und anderen Klassikern gehören dazu), lässt sich viele Nächte streiten. Dass eine solche limitierte Auflage für Otto Normalverbraucher nicht erschwinglich ist, und bei denen, die es sich leisten können, vielleicht nur als Kunstobjekt irgendwo in einer Vitrine verstaubt, ist für die Bereicherung der Spielkultur nicht sehr hilfreich. Schade, denn das Spiel hätte sich, was den Spielreiz anbelangt, eine größere Käuferschicht verdient.

Franky Bayer

Bewertung: 6 Schilde