April
MoDiMiDoFrSaSo
1 2K3 4 5R6 7
8 9K1011S12S1314
1516K1718L19L2021
2223K2425S26SO2728
2930 1 2 3 4 5
b
Legende:
Knn Ritter der Knobelrunde
Snn Spieletreff - Auwiesen
Snn Spieletreff - Franckviertel
Snn Spieletreff - Keferfeld-Oed
Snn Spieletreff - Pichling
Lnn LinzCon 2024
Onn Offener Spieleabend - Vöcklabruck
Rnn Würfelschänke Ried
<- Ethnos^Europa Tour ->

Knobelritters Spielearchiv - Euphrat & Tigris

Art des Spiels: Positionsspiel
Spieleautor:    Reiner Knizia
Verlag:         Hans im Glück
Jahrgang:       1997
Spielerzahl:    3 bis 4 Spieler
Alter:          ab 12 Jahren
Dauer:          ca. 90 bis 120 Minuten
Preis:          ca. € 29,-
Auszeichnung:   Deutscher Spielepreis 1998

22

Euphrat & Tigris, das kommt mir vom Geschichtsunterricht irgendwie bekannt vor. Zwischenstromland, Wiege der Menschheit, Mesopotamien und so. Für einen fundierten Artikel reicht dieses Wissen allerdings nicht aus, daher habe ich mich mit meiner Lexikon-CD-Rom etwas schlau gemacht. Bereits 6000 vor Christus gab es die ersten Ansiedlungen, 4000 v. Chr. die ersten größeren Städte. Und dann sind da eine Vielzahl von Völkern angeführt, die um die Herrschaft über dieses fruchtbare Land kämpften. Sumerer, Akkader, Gutäer, Elamiter, Babylonier, Amoriter, Hethiter, Kassiten, Hurriter, Assyrer, Meder und Chaldäer wechselten sich ab, bevor 539 v. Chr. die Perser Mesopotamien in das persische Reich eingliederten.

Die Landschaft zwischen Euphrat und Tigris hat also zweifelsohne eine turbulente Geschichte hinter sich, mit einer Menge von Stämmen, von denen ich die meisten - ich muss es gestehen - gar nicht kenne. Auch in dem Spiel "Euphrat & Tigris" spiegelt sich der Kampf verschiedener Kulturen um die Vorherrschaft in dem wertvollen Gebiet zwischen den beiden Flüssen wider. Es bleibt für uns dann aber doch ein wenig überschaubarer, da nur maximal 4 Spieler die Rollen von 4 Stämmen übernehmen.

Der Spielplan zeigt auch - zumindest zu Beginn - eine relativ verlassene Gegend, durch die sich die beiden Ströme schlängeln. Lediglich 10 kleine, verstreute Ansiedlungen, dargestellt durch Tempel, sind anfangs zu sehen. Jeder Spieler entscheidet sich für eine Dynastie (auseinander zukennen durch die Zeichen Stier, Vase, Löwe oder Bogen) und nimmt sich Sichtschirm und die 4 verschiedenfarbigen Spielsteine mit dem entsprechenden Symbol. Die Spielsteine repräsentieren Anführer in verschiedenen Bereichen des Lebens. Die schwarze Figur ist der König, der sich dafür einsetzt, dass sich die Bevölkerung entwickelt. Der rote Spielstein steht für den Priester, dessen Anliegen die Religion ist. Blau ist die Farbe für den Bauernanführer, der versucht, die Landwirtschaft florieren zu lassen. Und die grüne Figur vertritt den Handel und den Markt.

Auf der anderen Seite gibt es jede Menge sogenannte Zivilisationsplättchen in denselben vier Farben, die für ebendiese Lebensbereiche stehen. Jeder Spieler zieht sechs davon verdeckt aus dem Spielbeutel und legt sie hinter seinen Sichtschirm. Schließlich erhält noch jeder zwei Katastrophenplättchen. Auf deren Funktion werde ich ebenso erst später eingehen, wie jene der sechs Monumente und der zahlreichen, kleinen Holzwürfel, die zum Abschluss der Vorbereitungen noch griffbereit neben den Spielplan gelegt werden.

Bei "Euphrat & Tigris" gilt es, Siegpunkte zu sammeln. Jedoch nicht die Gesamtanzahl der Siegpunkte ist entscheidend, vielmehr ist es von Bedeutung, dass man seine Zivilisation möglichst gleichmäßig in allen 4 Bereichen Bevölkerung, Religion, Landwirtschaft und Markt erweitert. Die Siegpunkte gibt es nämlich in genau denselben Farben schwarz, rot, blau und grün. Wie kommt man aber nun zu den Siegpunkten? Dazu müssen wir uns einmal die verschiedenen Aktionen anschauen, die ein Spieler während eines Zuges zur Auswahl hat. Zwei davon kann er in beliebiger Reihenfolge ausführen.

Die wichtigsten Aktionen sind das Setzen der Anführer und das Legen der Zivilisationsplättchen. Dadurch werden Königreiche gegründet und erweitert. Ein Königreich entsteht dann, wenn zumindest ein Anführer waagrecht oder senkrecht an einer beliebig großen Ansammlung von Plättchen liegt. Das Setzen der Anführer bringt zwar direkt keine Siegpunkte, ist aber notwendig, um in Folge zu Siegpunkten zu gelangen. Erst durch das Legen von Zivilisationsplättchen werden schließlich Siegpunkte vergeben. Einen Siegpunkt in der Farbe des gelegten Plättchens erhält nämlich derjenige Spieler, der in dem betreffenden Königreich den gleichfarbigen Anführer aufweisen kann. Es gibt noch eine Menge Einschränkungen und Regelungen für das Einsetzen der Anführer und der Plättchen. Ich will in diesem Artikel allerdings nicht zu sehr ins Detail gehen und mich lieber aufs Wesentliche beschränken.

Wichtig ist da vielmehr, was passiert, wenn sich in einem Königreich Anführer des selben Berufsstand, also gleicher Farbe befinden. In einem Königreich dürfen sich mehrere Anführer, auch von verschiedenen Spielern aufhalten, aber wenn zwei Anführer die gleiche Farbe haben, kommt es zu einem Konflikt, während dem geklärt wird, welcher der beiden Anführer sich behaupten kann. Zwei Situationen können zu so einem Konflikt führen. Zum einen, wenn ein Spieler einen Anführer in ein Reich hineinsetzt. In diesem Fall ("innerer Konflikt") rufen die konkurrierenden Anführer die Götter an, oder spieltechnisch ausgedrückt: die Besitzer der beiden Anführer vergleichen, wie viele rote Tempel bei den Anführer-Spielsteinen angrenzen. Dann kann noch jeder diese Zahl mit roten Tempelplättchen aus seinem Vorrat erhöhen. Der Unterlegene muss seine Figur zurücknehmen, der Sieger erhält als Belohnung einen roten Siegpunkt.

Ganz anders wird vorgegangen, wenn die Konfliktsituation dadurch entsteht, dass ein Zivilisationsplättchen derart gelegt wird, dass zwei Königreiche miteinander verbunden werden ("äußerer Konflikt"). Da kann es durchaus auch passieren, dass sogar mehrere gleiche Anführer in dem nun neuen größeren Reich aufeinandertreffen. Dann entscheidet der aktive Spieler, in welcher Reihenfolge die Konflikte ausgetragen werden. Zwei rivalisierende Herrscher versuchen dann, ihre Anhänger um sich zu scharen: Jeder Spieler kontrolliert, wie viele Plättchen in der Farbe des jeweiligen Anführers im Reich vor der Zusammenlegung vorhanden waren. Dann kann noch jeder der beiden Spieler Plättchen der selben Farbe aus dem eigenen Vorrat ausspielen. Wieder gewinnt, wer die höhere Zahl erreicht, bei Gleichstand siegt der Verteidigende. Aber anders als beim inneren Konflikt werden jetzt auch die Plättchen entfernt, die der unterlegene Spieler in seinem ehemaligen Reich hatte. Der Sieger des Konflikts erhält nun Siegpunkte für den Anführer und jedes Plättchen, welches so aus dem Spiel kommt. Und zwar in der Farbe, in welcher der Kampf ausgefochten wurde.

Es gibt noch eine Möglichkeit, an die begehrten Siegpunkte heranzukommen: der Bau von Monumenten. Ein Monument wird dann errichtet, wenn 4 Plättchen einer Farbe ein Quadrat bilden. Dann werden diese Zivilisationsplättchen einfach umgedreht (die Rückseite jedes Plättchen zeigt den Teil eines Fundamentes) und darauf ein noch freies Monument platziert. Eine der zwei Farben, aus denen jedes Monument sich besteht, muss dabei mit der Farbe der umgedrehten Plättchen übereinstimmen. Ein Monument liefert den Anführern gleicher Farbe am Ende jeder Runde einen Siegpunkt, eine sehr lukrative Einrichtung also.

Alternativ zum Anführersetzen und Zivilisationsplättchen legen kann man für eine seiner Aktionen auch Katastrophenplättchen einsetzen (diese können Plättchen zerstören, Verbindungen abbrechen, Königreiche trennen, usw.) oder beliebig viele seiner Zivilisationsplättchen austauschen.

Die letzte Regel, welche ich noch erklären muss - sie bezieht sich schließlich auch auf das Spielende - ist das Aufnehmen von sogenannten Schätzen. Auf den zehn ursprünglichen Tempeln befinden sich neutrale, weiße Holzwürfel. In jedem Königreich darf es nur einen Schatz geben. Wachsen zwei Königreiche mit Schätzen zusammen, kassiert der Spieler, der den Handel im neuen Großreich kontrolliert (grüner Stein) den Schatz ein. Er kann man den Schatz am Schluss als Joker verwenden. Sind nur mehr zwei Schätze am Spielplan, endet das Spiel. Auch wenn kein Plättchen mehr aus dem Beutel nachgezogen werden kann, ist das Spiel aus.

Dann entscheidet sich, wer am besten agiert hat. Jeder Spieler offenbart die gesammelten Siegpunkte und kontrolliert, wie viele Spielsteine er in seinem schwächsten Bereich hat. Die Schätze können dabei helfen, Schwächen in gewissen Bereichen auszugleichen. Wer die meisten Punkte in seinem schwächsten Bereich hat, gewinnt.

"Euphrat & Tigris" hört sich nicht nur kompliziert an, es ist auch sehr komplex. Die wenigen Aktionsmöglichkeiten bieten besonders für den Spielanfänger eine schier unüberschaubare Vielzahl an Möglichkeiten. Hierbei die sinnvollen von den unnützen herauszufiltern, bedarf es schon ein wenig an Spielerfahrung. Erschwerend kommt hinzu, dass man nur zwei Aktionen in einer Runde machen kann, dabei täte man ja am liebsten soviel auf einmal... Gerade das Einsetzen von Anführern bringt vorerst keine Punkte, ist aber wichtig, um in Folge abkassieren zu können. Das optimale Nutzen der geringen Ressourcen ist also genauso gefragt wie flexibles Denken, da man sich immer nach den eigenen Plättchen richten muss. Das Salz in der Suppe sind aber die Konflikte, die sich zwangsläufig ergeben, da ja nicht uneingeschränkt expandiert und abgeräumt werden kann. Wie man Konflikte nicht nur zufällig passieren lässt, sondern bewusst zu seinen Gunsten einsetzt und plant, erfährt man zumeist erst nach einigen Partien.

Überhaupt kommt mir "Euphrat & Tigris" fast vor wie ein Buch von Umberto Eco. Erst wenn man die ersten Seiten überstanden und sich so richtig hineingelesen hat, öffnet sich einen der Reiz. Andere hingegen finden einfach keinen Zugang zum Sinn des Ganzen. Das Spiel besitzt eben soviel Tiefe und ist wirklich nicht jedermanns Sache. Mich persönlich reizt jede Partie von Neuem, da ich wieder etwas besser die Möglichkeiten einschätzen kann.

"Euphrat & Tigris" ist trotz seiner Komplexität deutlich als ein typisches Knizia-Werk erkennbar: einfaches Grundmuster, ruhiger und taktisch geprägter Spielablauf. Ein Spiel, das sich zweifelsfrei an den anspruchsvollen Spieler richtet und diesen, bei näherer Beschäftigung mit dem Spiel, auch zufrieden stellen kann. Die Grafik und Ausstattung kann man nicht besser machen (schön und übersichtlich), die Qualität des Materials als auch der graphischen Gestaltung (Doris Matthäus) sind beispielhaft.

So, jetzt muss ich aber gleich wieder eine Partie organisieren. Mal sehen, ob ich noch mehr taktische Feinheiten entdecke...

Franky Bayer

Bewertung: 5 Schilde