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Knobelritters Spielearchiv - Everdell

Art des Spiels: Arbeitereinsatz-
                und Aufbauspiel
Spieleautor:    James A.Wilson
Verlag:         Starling Games
Jahrgang:       2019
Spielerzahl:    1 bis 4 Spieler
Alter:          ab 14 Jahren
Dauer:          40 bis 80 Minuten
Preis:          ca. € 59,-

Zielgruppen:    Spielexperten       ++
                Gelegenheitsspieler (+)

"Critters" - diesen Begriff kannte ich noch nicht. Eine kurze Recherche ergab, dass es aus dem Englischen übersetzt so viel wie "Viech" oder "Getier" bedeutet. Das ist dann doch eine recht passende Bezeichnung für jene Wesen, auf die wir im Spiel "Everdell" treffen: Eidechsen, Hasen, Dachse, Mäuse, Igel, Krähen, Schildkröten, Eichhörnchen, etc.

Es sind dies die Bewohner, welche im Schatten des großen, ehrwürdigen "Ever Trees" leben. Unsere Aufgabe als Anführer einer Gruppe solcher Viecher besteht darin, neue Gebiete zu besiedeln und eine neue Stadt zu gründen, bevor der Wintermond aufgeht.

Zu Beginn besteht unser Grüppchen gerade mal aus 2 Tieren. Unsere Vorratsräume sind anfangs noch leer, aber zumindest wissen wir, wo wir Zweige, Harz und Steine bekommen können, die wir für die Errichtung von Bauwerken ("constructions") brauchen, beziehungsweise Beeren, um neue Bewohner ("critters") anwerben zu können. Am Fluss, der sich am Fuße des Ever Trees vorbei schlängelt, sowie in den Wäldern jenseits des Flusses gibt es Orte, an denen wir später an die benötigten Rohstoffe gelangen können. Wenigstens beginnen wir mit ein paar Karten auf der Hand, die uns bei unseren Plänen helfen können.

Drei verschiedene Aktionen stehen uns zur Auswahl, um unsere Aufgabe zu erledigen. So können wir einen unserer Arbeiter zu einem Ort aussenden, um dort zu agieren (A. einen Arbeiter einsetzen). Meist besteht diese Aktion im Sammeln von den bereits erwähnten Rohstoffen, wobei diese in unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen (Steine und Beeren seltener, Zweige und Harz öfter). Die Lichtungen im Wald sind stets noch ein wenig lukrativer als die Basisorte. Zu einer späteren Zeit des Jahres können wir Arbeiter dann auch zu Ereignissen schicken, vorausgesetzt, wir erfüllen die dafür notwendigen Bedingungen. An den meisten Plätzen kann übrigens bloß ein einziger Arbeiter gleichzeitig tätig sein, sodass dieser Ort für andere gesperrt bleibt, bis dieser Arbeiter den Ort wieder verlässt.

Eine weitere Aktionsmöglichkeit bieten die Karten: B. eine Karte spielen. Dabei können wir zwischen einer unserer Handkarten und einer Karte der offenen Auslage ("Weide") wählen. Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Karten: "Critter" und "Constructions". Um eine Karte ausspielen und so in unsere Auslage legen zu dürfen, müssen wir die darauf angegebenen Rohstoffe abgeben. Eine Besonderheit stellt die Möglichkeit dar, einen Bewohner kostenlos, also ohne Bezahlung der erforderlichen Beeren, ausspielen zu können. Dies geht aber nur dann, wenn wir bereits das passende Gebäude in unserer Stadt vorweisen können. So können wir beispielsweise Richter Schildkröt gratis ausspielen, wenn sich schon das Gericht in unserer Stadt befindet.

Können wir - mangels Arbeiter, Karten und/oder Rohstoffen - keine der oben genannten Aktionen mehr durchführen, bleibt uns nur mehr eines übrig: uns C. auf die nächste Jahreszeit vorbereiten. Wir holen alle unsere Arbeiter zurück und erhalten den entsprechenden Jahreszeitenbonus. Dieser besteht neben 1 oder 2 neuen Arbeitern entweder aus einer Erntephase (Frühjahr und Herbst), bei der einige Karten nserer Stadt einen Ertrag abwerfen, oder aus 2 Karten von der Weide. Es kann durchaus vorkommen, dass wir uns in einer anderen Jahreszeit befinden als unsere Mitstreiter.

Nachdem niemand mehr in der letzten Jahreszeit - dem Herbst - eine Aktion durchführen kann und daher alle passen mussten, endet das Jahr. In einer finalen Inspektion wird überprüft, wer von uns wohl die beste Stadt gründen konnte. Zu den Punkten unserer ausliegenden Bewohner und Gebäude zählen wir noch gesammelte Punktechips, geschaffte Ereignisse (dazu gehört auch das Reisen im Herbst) und Bonuspunkte für bestimmte Karten. Erzielen wir so die höchste Gesamtpunktezahl, haben wir uns Corrin Evertails, des Gründers von Everdell, als würdig erwiesen.

Was mich an "Everdell" am meisten begeistert, ist die dichte erzählerische Atmosphäre. Die Einleitungsgeschichte, ein Gedicht in der Spielregel, die "Legende der Gründerstatue" auf den letzten Seiten der Spielanleitung, sowie zahlreiche liebevolle, stimmungsvolle Details - alles steckt voller Poesie. Leider ist mein Exemplar nur auf englisch, wodurch dies einigen meiner Mitspieler entgeht, es soll aber in der Kickstarter-Ausgabe eine Übersetzung ins Deutsche geben.

Das Spielmaterial unterstützt die Story optimal. Die Illustrationen sind einfach traumhaft, man wird in die Geschichte buchstäblich hineingezogen. Auch die materielle Ausstattung überzeugt vollends. Der riesige Ever Tree, welcher fertig aufgestellt 26 cm in die Höhe ragt, dient zwar bloß als Kartenhalter und Ablagefläche für Karten, Plättchen und zusätzliches Spielmaterial beim Jahreszeitenwechsel und erfüllt sonst keine weitere Funktion. Dafür bestechen die Spielfiguren aus Holz, welche je nach Farbe Igel, Eichhörnchen, Schildkröten oder Hasen darstellen, sowie die detailreichen Ressourcen (Zweige aus braunem Holz, Harz aus gelblich durchscheinenden Kristallen, Steine aus glänzend grauem Hartplastik und Beeren aus matt-lila Weichplastik).

Vom spielerischen Standpunkt präsentiert sich "Everdell" auf den ersten Blick als ein typisches Worker Placement Game. Schließlich verfügt erstens jeder Spieler über einen Arbeiter-Trupp, der mit jeder Jahreszeit anwächst, und zweitens gibt es Felder, auf denen diese auch eingesetzt werden können. Darum möchte ich vorerst einmal auf diesen Aspekt des Spiels etwas näher eingehen.

Prinzipiell unterscheidet man zwischen exklusiven Feldern, die nur von 1 Figur besetzt werden können und solange blockiert bleiben, bis das Feld wieder auf die eine oder andere Weise geräumt wurde, und freien Feldern, welche von beliebig vielen Figuren, auch derselben Farbe, besetzt werden dürfen. Letztere haben dafür allerdings einen wesentlich geringeren Ertrag.

Die Basisfelder - sie sind auf dem Spielplan direkt aufgedruckt - liefern meist Rohstoffe, manchmal erhält man Handkarte(n) dazu. Auf die 4 Waldfelder werden zu Spielbeginn zufällig Karten platziert. Deren Erträge sind höher als jene der Basisfelder, daher umso begehrter. Weitere Einsatzorte finden sich als "Ereignisse" auf und unter dem Ever Tree, für die man jedoch bestimmte Bedingungen (Kartenkombinationen in seiner Stadt) erfüllen muss, um deren Extrapunkte zu erhalten.

Das ist aber noch nicht alles, denn auf einige Karten - ausschließlich Gebäude - können ebenfalls Figuren gestellt werden, um bestimmte Aktionen durchzuführen. Und schließlich kann man im Laufe der letzten Jahreszeit - des Herbsts - Figuren auf die Reise schicken, wo sie uns gegen Abgabe von Handkarten Siegpunkte einbringen. Zahlreiche Möglichkeiten also, seine Figuren zu beschäftigen.

Dies steht aber im krassen Gegensatz zur Anzahl der einzusetzenden Figuren. In der ersten Jahreszeit sind es gerade mal 2 Figuren. Das steigert sich zwar allmählich von Saison zu Saison, aber insgesamt sind es dennoch in einer ganzen Partie bloß 15 Arbeitereinsatzaktionen, die ein Spieler ausführen kann. Viel zu wenig, um eine Stadt aufzubauen. Dies liegt daran, dass das "Worker Placement" in den ersten Phasen des Spiels vorwiegend zur Beschaffung von Rohstoffen verwendet wird, um daraufhin Karten ausspielen zu können. Daher nun ohne Umschweife zum zweiten wesentlichen Aspekt von "Everdell": Die Karten!

Bei den Karten wiederum gibt es zwei Arten: Bauwerke ("constructions") und Bewohner ("critters"). Wie bereits erwähnt, müssen für die Gebäude Zweige, Steine und/oder Harz abgegeben werden, für die Bewohner hingegen Beeren. Interessant ist, dass es für jedes Gebäude einen passenden Bewohner gibt, der sogar kostenlos ausgespielt werden darf, wenn man dieses Gebäude in seiner Stadt hat. Es ist daher sinnvoll, wenn man solchermaßen zusammengehörige "Paare" sucht, um den Synergie-Effekt nutzen zu können. Um derartige Kombinationen zu finden, stehen einem nicht nur die eigenen Handkarten zur Verfügung, sondern auch die Karten in der Auslage, allerdings mit dem Nachteil, dass diese von den Mitspielern weggeschnappt werden können.

Je nach Farbe und Symbol bietet uns jede Karte entweder einen sofortigen, einmaligen Effekt (braun), einen Produktionseffekt (grün), einen Effekt, der durch einen Arbeiter aktiviert werden kann (rot) oder wirkt sich beim Ausspielen anderer Karten (blau) oder bei der Schlusswertung (violett) aus. Letztere erlauben dann auch strategische Überlegungen, da sich die Spieler in ihren weiteren Aktionen auf die dafür verlangten Bedingungen einstellen.

Was die Taktik betrifft, spielen auch die ausliegenden Ereignisse eine wichtige Rolle. Für jedes der vier Basisereignisse benötigt man drei Karten der gleichen Farbe, für die vier Spezialereignisse sind ganz bestimmte Karten - meist 1 Bewohner und 1 Gebäude - erforderlich. Aber nur, wer dort nach Erfüllung der Voraussetzungen auch tatsächlich zuerst eine Figur einsetzt, darf sich die entsprechenden Siegpunkte gutschreiben. Nachdem im späteren Spielverlauf die Ressourcen nur mehr eine untergeordnete Rolle einnehmen, werden dann Figuren vermehrt auf diese oder ähnliche Weise zum Sammeln von Siegpunkte eingesetzt.

Das Timing ist aufgrunddessen noch viel wichtiger als bei anderen Arbeitereinsatzspielen. Es gilt, seine Figuren zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, um das Optimum rauszuholen. Besonders der Jahreszeitenwechsel will gut getimt sein, weil dadurch ja auch wieder die Figuren zurückgenommen und besetzte Felder so erneut frei werden. Zwar ist jeder hauptsächlich mit der Entwicklung seiner eigenen Stadt beschäftigt, aber sowohl durch die beschränkte Anzahl ertragreicher Felder als auch durch die gemeinsame Auslage an offenen Karten findet dann doch eine rege Interaktion statt.

Die Spieldauer ist mit 40 bis 80 Minuten angegeben. Dies ist auch ziemlich realistisch, auch wenn es anfangs nicht so den Anschein hat und wesentlich früher zu enden verspricht. Das liegt daran, dass die ersten Jahreszeiten ausgesprochen kurz und nach wenigen Aktionen/Minuten bereits vorbei sind. Vor allem der Herbst dauert dann aber deutlich länger, was einerseits an der höheren Zahl an Spielfiguren liegt, andererseits auch an der ansteigenden Downtime, welche der längeren Überlegungen dank mehrerer Optionen geschuldet ist.

Die Zeit vergeht jedoch ohnehin wie im Flug. "Everdell" gefällt mir ausgesprochen gut, ich finde es ist - auch wegen der gelungenen und stimmungsvollen Umsetzung des poetischen Themas - ein wirklich ausgezeichnetes Spiel. Mittlerweile ist bereits eine Erweiterung erschienen, die ich mir sicher nicht entgehen lassen werden.

Zum Abschluss möchte ich noch die beinhaltete Solo-Variante anführen, bei der man in drei ansteigenden Schwierigkeitsstufen gegen Rugwort, einen fiesen Rattengegner antritt. Er blockiert Felder, erhält mit Hilfe eines achtseitigen Würfels eine zufällige Karte der Weide und bekommt am Ende Punkte für Karten in seiner Stadt, erfüllte Basisereignisse und für jene Spezialereignisse, welche der Spieler nicht erfüllen konnte. Funktioniert recht gut, ist aber trotzdem kein vollwertiger Ersatz gegen das Spiel mit leibhaftigen Mitspielern.

Franky Bayer

Bewertung: 4½ Schilde