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Knobelritters Spielearchiv - Grand Austria Hotel

Art des Spiels: Würfeleinsetzspiel
Spieleautoren:  Simone Luciani &
                Virginio Gigli
Verlag:         Lookout Spiele
Jahrgang:       2015
Spielerzahl:    2 bis 4 Spieler
Alter:          ab 12 Jahren
Dauer:          90 bis 150 Minuten
Preis:          ca. € 44,-

Zielgruppe:     Spielexperten ++

Lasst mich mal überlegen: Wer wäre wohl am besten für eine Rezension dieses Spiels geeignet? Er müsste sich klarerweise mit Spielen auskennen und in der Lage sein, die eine oder andere Spielekritik zu verfassen. Auch wäre es nicht schlecht, wenn er ein wenig über die Hotellerie Bescheid wüsste. Und nachdem es in Wien spielt, wäre auch ein Österreicher recht vorteilhaft. Hmmm, das schränkt die Sache ziemlich ein. Nein, sorry, mir fällt beim besten Willen niemand ein, der die notwendigen Voraussetzungen dafür mitbrächte.

Na gut, dann übernehme ich halt die Aufgabe und berichte euch, wie man in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus einem kleinen Kaffeehaus ein renommiertes Hotel von Weltrang macht: Das "Grand Austria Hotel"!

Bis zu vier Hoteliers konkurrieren um die Gunst der Gäste und des Kaisers. Die Anfänge sind jedoch eher bescheiden: Ein kleines Kaffeehaus im Parterre, in den oberen Etagen gerade mal 3 Zimmer fertig eingerichtet, lediglich ein paar Speisen und Getränke in den Vorratskammern, bloß 10 Kronen als Startkapital, kein fix eingestelltes Personal. Aber zumindest hat sich schon ein Gast auf einem der drei Tische niedergelassen und wartet auf die Erfüllung seiner Bestellung.

Alle Aktionen der Spieler - vom Wareneinkauf über die Einrichtung der Hotelzimmer bis zur Einstellung von Personal - werden über Würfel geregelt. Der Startspieler würfelt mit allen Würfeln und sortiert diese dann entsprechend ihrer Augenzahl auf die Aktionsfelder des Aktionsplans. Die Augenzahl bestimmt demnach, welche Aktion möglich ist, die Anzahl der Würfel auf einem Aktionsfeld gibt hingegen an, welchen Ertrag er mit dieser Aktion erhält. Wer an der Reihe ist, nimmt sich einen beliebigen Würfel und führt dann die entsprechende Aktion aus.

Die einzelnen Aktionen: Für jeden Würfel auf der "1" darf sich der Spieler 1 x Strudel oder 1 x Torte (dargestellt durch kleine Holzwürfel) nehmen, wobei es insgesamt nicht mehr Torten als Strudel sein dürfen. Für jeden Würfel mit einer "2" gibt es auf dieselbe Weise 1 x Wein oder 1 x Kaffee. Jeder Würfel auf der "3" erlaubt es, ein Raumplättchen seiner Wahl - nach bestimmten Regeln - auf seinem Hotelplan zu platzieren.

Würfel auf der "4" können verwendet werden, um entweder ein Feld auf der Kaiserleiste oder auf der eigenen Geldleiste vorzurücken. Wer einen 5er-Würfel nimmt, darf eine Personalkarte ausspielen, wobei sich die aufgedruckten Kosten um je 1 Krone pro Würfel auf dem Feld "5" reduzieren. Würfel auf der "6" schließlich fungieren als "Joker", mit ihnen kann - gegen Abgabe von 1 Krone - jede beliebige Aktion durchgeführt werden.

Außerdem sind noch einige Zusatzaktionen möglich. So kann man sich vor seinem Zug einen neuen Gast vom Spielplan nehmen, wenn im Kaffeehaus noch mindestens ein Tisch frei ist. Die wichtigste Zusatzaktion besteht darin, einen Gast, dessen Bestellung zur Gänze erfüllt wurde, in einem vorbereiteten Zimmer einzuquartieren. Dieser Gast bringt neben möglichen Siegpunkten auch einen speziellen Bonus, den man dann sofort nutzen kann.

Im Uhrzeigersinn sind danach die anderen Spieler an der Reihe, anschließend geht es - beginnend vom letzten Spieler - gegen den Uhrzeigersinn noch einmal retour. Das Spiel verläuft über sieben solche Runden mit wechselndem Startspieler, somit hat jeder Spieler insgesamt 14 Hauptaktionen. Nach der dritten, fünften und siebten Runde findet eine Kaiserwertung statt. Dabei erhalten die Spieler vom Kaiser eine besondere Gunst, wenn sie ihn ausreichend hofiert haben, also auf der Kaiserleiste weit genug vorrücken konnten. Anderenfalls müssen sie eine strenge Bestrafung in Kauf nehmen.

Siegpunkte können die Spieler auf mannigfaltige Weise sammeln: Für einquartierte Gäste, belegte Zimmer, Punkte auf der Kaiserleiste, für bestimmte Personalkarten, sowie wenn sie die Bedingung für eine oder mehrere der drei offen ausliegenden Politikkarten erfüllen. Wer am Ende die meisten Siegpunkte anhäufen konnte, hat sich als der geschickteste Hotelier herausgestellt und gewinnt.

"Grand Austria Hotel" ist - wie unschwer herauszulesen ist - eine Art Würfeleinsetzspiel. Als solches sind die Regeln klar und verständlich, das Spielprinzip verhältnismäßig einfach und schnell kapiert. Warum es trotzdem erst für Spieler ab 12 Jahren angegeben ist, liegt an der Komplexität, welche das Spiel durch mehrere Spielelemente erhält.

Da wären einmal die Gästekarten. Dass man einen Gast nur in ein farblich passendes Hotelzimmer legen darf, geht ja noch. Aber jeder Gast hat seine eigenen Wünsche, was Speisen und Getränke anbelangt. Während sich beispielsweise die Herzogin mit einem Verlängerten zufriedengibt, müssen es für den Generalprokurator 1 Torte sowie gleich 3 Gläser Rotwein sein.

Dafür gibt jeder Gast - quasi als kleine Aufmerksamkeit - eine andere Belohnung. Dies kann etwas Trinkgeld sein, eine bestimmte Speise, Hilfe bei der Personalsuche bzw. -einstellung, Unterstützung bei der Vorbereitung neuer Räume, Anwerben neuer Gäste, u.v.m. Diese Boni sowie die angegebenen Siegpunkte eines Gastes orientieren sich dabei generell danach, wie aufwändig dessen Bestellung zu erledigen ist. Für die Spieler kommt es vor allem darauf an, nicht einfach irgendwelche Gäste aufzunehmen, sondern deren Kosten und Nutzen für die eigene taktische Vorgehensweise zu berücksichtigen.

Dasselbe gilt auch für das Personal. 48 Personalkarten gibt es, vom Chefkoch bis zum Empfangschef. Jede mit einem besonderen Vorteil, und keine einzige Karte kommt mehrfach vor. Manche Karten bieten einen permanenten Vorteil, andere bieten ihre Dienste nur einmal pro Runde an, wieder andere sind überhaupt bloß einmal aktiv. Und einige Mitarbeiter bescheren einem erst am Spielende wertvolle Siegpunkte.

Diese große Vielfalt hat jedoch ihren Preis: Trotz gelungener Symbolik führt dies zu längeren Überlegungen und hemmt so den Spielfluss. In den ersten Partien sollte man daher auf jeden Fall die vorsortierten, etwa gleichwertigen Sets aus 6 Personalkarten verwenden. Kennt man die Karten und ihre Funktionen einmal besser, kann man in späteren Partien das Startpersonal dann auch durch "Draften" ermitteln.

Das ist aber längst nicht alles. Es gibt noch zwei Dinge, die es zu bedenken gibt: Da sind zum einen die Kaiserplättchen, von denen zufällig 3 für die Kaiserwertungen gezogen werden und Boni bzw. Strafen für diese vorgeben. Es ist zwar stets von Vorteil, bei Kaiserwertungen von einem Bonus profitieren zu können, aber je nach Art von Bonus oder Strafe wird man sich darauf einstellen, die Kaiserleiste zu forcieren oder zu vernachlässigen.

Und schließlich gibt es noch die bereits kurz erwähnten Politikkarten. Auch von diesen werden zufällig drei Karten auf die entsprechenden Felder des Spielplans gelegt. Sie legen Bedingungen fest, wofür die Spieler Sondersiegpunkte erhalten können, zum Beispiel für sechs eingestellte Mitarbeiter. Für jede Politikkarte gilt: Der erste Spieler, der sie erfüllt, wird mit 15 Siegpunkten belohnt, der zweite bekommt noch 10 Punkte, und der Dritte erhält nur mehr 5 Siegpunkte. Dies sind willkommene Zusatzpunkte, weshalb es sich empfiehlt, die Vorgaben der Politikkarten bestmöglich in seine Planungen einzubeziehen.

Obwohl ich hier noch nicht alles beschrieben habe, merkt man doch, dass "Grand Austria Hotel" viele Details und Regelfeinheiten enthält. Das Spiel richtet sich daher eindeutig an den anspruchsvollen, erfahrenen Spieler, der sich auch von einer längeren Spieldauer nicht abschrecken lässt. Da es viel zu überlegen und bedenken gibt, ist die Downtime, also die Zeit, bis man selbst wieder an der Reihe ist, recht lang. Aus diesem Grund spiele ich es am liebsten nur zu zweit oder höchstens zu dritt. In Maximalbesetzung kann eine Partie nämlich länger als drei Stunden dauern, für meinen Geschmack dann doch etwas zu lang für das Gebotene.

Man kann "Grand Austria Hotel" zwar nicht als Strategiespiel bezeichnen, dennoch erlaubt es unterschiedliche Vorgehensweisen, da es mehrere Wege gibt, an die begehrten Siegpunkte zu gelangen. Schade nur, dass es den beiden Autoren nicht gelungen ist, die Punktevergabe zu vereinheitlichen. So erhält man für manche Aktionen sofort Siegpunkte (einquartierte Gäste Kaiserwertung, bestimmte Boni, etc.), andere Elemente werden hingegen erst bei Spielende abgerechnet (belegte Zimmer, Personal, erfüllte Politikkarten, etc.). Dies sorgte in unseren Partien für Verwirrung und oftmaliges Nachschlagen im Regelwerk. Konsequenter wäre es gewesen, für alles erst zum Schluss Siegpunkte zu vergeben.

Trotz Würfel ist der Glücksfaktor recht gering. Dies liegt daran, dass sich die Spieler reihum aus einem gemeinsamen Würfelpool bedienen. Der Startspieler hat dabei die größte Auswahl (und auch den besten Effekt), dies wird durch die umgekehrte Spielerreihenfolge für die 2. Aktion jedoch wettgemacht. Der einzige Glücksanteil liegt darin, dass der Würfelwurf zu Engpässen und zu Überfluss an bestimmten Aktionsmöglichkeiten führen kann, was aber dann alle Spieler betrifft. Wer keine für ihn sinnvolle Aktion vorfindet, kann ja passen. Für alle Spieler, die gepasst haben, werden die verbliebenen Würfel (abzüglich einem, der weggelegt wird) neu geworfen, wodurch sich eventuell doch noch bessere Optionen bieten.

Zu lange Spieldauer und komplexe Mechanismen, die einen schwierigen Einstieg zur Folge haben: Alles nicht gerade förderliche Zutaten für ein unbeschwertes Spielvergnügen. Dennoch: "Grand Austria Hotel" gefällt mir ausgesprochen gut. Der Würfelmechanismus ist frisch und spannend, das Spiel herausfordernd und immer wieder anders verlaufend, die grafische Gestaltung von Landsmann Klemens Franz wirklich gelungen. Und die Spielregel mit den begleitenden Kommentaren von Oberkellner Leopold (ein wenig mit Wiener Dialekt) auch recht witzig. Ich wäre fast versucht, in "echt" mein Glück als Hotelier zu versuchen. Wenn ich nicht bereits längst ein Hotel führte…

Franky Bayer

Bewertung: 4½ Schilde