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Art des Spiels: Erntezeit-Spiel
Spieleautor: Uwe Rosenberg
Verlag: Lookout Games
Vertrieb: Heidelberger Spiele
Jahrgang: 2011
Spielerzahl: 1 bis 4 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 120 bis 240 Minuten
Preis: ca. € 39,-
Zielgruppen: Spielexperten ++
Zweipersonen (+)
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Höret, die ihr euch aufgemacht habt, im Schweiße eures Angesichts den Wald zu roden und das Moor trocken zu legen, um im Namen des Herrn ein Kloster zu errichten. Um Bücher und Keramikwaren zu mehren. Um Ornamente und Reliquien zu erschaffen. Der Herr schaut auf euer Tun mit Wohlgefallen. Doch seid gewahr: Nicht auf Erden werdet ihr die Vollkommenheit finden, nicht im ewigen Streben nach noch einem Siegpunkt mehr. Haltet Maß, oder Raffgier wird eure Sinne vernebeln. Wieder und wieder werdet ihr spielen wollen und kein Ende finden, weder heute noch morgen. Lüsterne werdet ihr sein, erschöpft und doch ruhelos nach jeder Partie, Dürstende in alle Ewigkeit. Amen.
Bruder Rosenberg zeugte "Agricola". Bruder Rosenberg zeugte "Le Havre". "Agricola" zeugte "Die Moorbauern". "Die Moorbauern" und "Le Havre" zeugten "Ora & Labora". Bruder Rosenberg sprach zu seinen Jüngern: Gehet hin und spielet. Aber einige zweifelten: Oh, Meister, ist das nicht wieder dasselbe? Und Bruder Rosenberg trat hinzu und sprach zu ihnen: Ist es nicht. Und die Jünger sagten: Na gut. Und sie spielten, wie ihnen geheißen. Und siehe: Es war nicht dasselbe.
Bruder Rosenberg schuf das Ertragsrad. Darauf legte er Lehm, Holz, Getreide und alles, was die Menschen auf Erden begehrten. Das Ertragsrad ging so: Es zeigte Zahlen von null bis zehn. Lag das Getreide an der Vier, bekam er vier davon. Doch der Getreidestein ward nun an die Null gelegt. Runde um Runde drehte sich das Ertragsrad. Und siehe: Was einst an der Zwei lag, lag nun an der Drei. Was einst an der Drei lag, lag nun an der Vier. Was immer das Volk verschmähte, es wurde wertvoller und mehrte sich. Und das Volk verschmähte es nicht mehr.
Bruder Rosenberg gab den Menschen ein Areal. Darauf waren drei Gebäude, Baumwerk und Morast. Und Bruder Rosenberg trug den Menschen auf: Geht in euren Bauernhof, und ihr bekommt Schafe dafür. Rodet den Wald, und ihr bekommt Holz dafür. Setzet eure Figur ins Klosterstammhaus, und ihr werdet mit Geldmünzen dafür belohnt. Bauet neue Häuser mit Lehm, Holz und Stroh. Ein jedes, wie es seiner Natur entspricht. Küstenhäuser an die Küste, Berghäuser auf den Berg. Und Klostergebäude sollen an Klostergebäude grenzen, jetzt und immerdar.
Aber das Volk klagte: Wir haben keine Küste! Wir haben keine Berge! Weh uns, das Land ist flach wie ein Flunderfisch! Und Bruder Rosenberg erwiderte: Wozu gab ich euch Geldmünzen? Gehet hin und kauft neues Land. Doch das Volk klagte weiter: Wir benötigen Steine! Viele Häuser kosten Stein, und der Steinbruch ist noch lange nicht im Spiel! Und Bruder Rosenberg erwiderte: Wozu gab euch Gott den Verstand? Geht in die Steinhandlung. Die Wucherer dort verlangen unchristliche Preise, doch ihr erhaltet Stein. Und das Volk schrie: Aber es gibt nur eine einzige Steinhandlung! Und die hat nun wer anders! Und Bruder Rosenberg sprach mit Donnerhall: Du sollst nicht neiden deines Nachbarn Gut! Gib deinem Nächsten ein Geldstück oder teile eine Flasche Wein mit ihm, und er wird eine Figur in sein Haus setzen und sie dort für dich arbeiten lassen, so wahr es in der Spielregel geschrieben steht!
Doch eine gab es unter den drei Figuren eines jeden Spielers, die war anders. man nannte sie den Prior. Die übrigen beiden hieß man Laienbrüder. Der Prior besaß die Macht des Doppelzuges. In ein neu gebautes Gebäude wandelte er noch in demselben Zug hinein und führte sogleich dessen Aktion aus. Und so begab es sich, dass der Prior vom Volk als wertvoller betrachtet wurde als die anderen. Das Volk erkannte, was neu war an "Ora & Labora" und nannte es Figuren-Management. Sobald alle Figuren in Häuser ausgesendet waren, bekam man sie bei Rundenbeginn zurück. Und dem Volk konnte dies nicht schnell genug gehen, denn wieder und wieder wollte es den Prior zu seinen Doppelzügen aussenden. Und die Verzweiflung war groß allerorten. Das Volk benötigte Bauplätze und wollte roden, doch dies kostete keine Figur, und der Prior würde noch länger fehlen. Und ein Sehnen wuchs im Volk. Längst hatte es in der Auslage ein herrliches Gebäude erspäht, das reichlich mit Siegpunkten geschmückt war und eine Lust für die Augen. Dies und kein anderes wollte es bauen und der Prior sollte es einweihen. Doch bis zu seiner Rückkehr baute es vielleicht ein anderer? Und das Volk litt und nannte es Spielreiz.
Die Menschen wurden reicher und mächtiger. In der Windmühle machten sie Getreide zu Mehl und Stroh. In der Bäckerei machten sie Mehl und Brennwerte zu Brot. In der Winzerei machten sie Trauben zu Wein, und in der Klosterkirche machten sie Brot und Wein zu Reliquien. Da jubelten die Menschen, denn Reliquien und andere Endprodukte zählten Siegpunkte. Und auch die Häuser zählten Siegpunkte. Und Verwunderung erfüllte das Volk über all das Schöne, das ihm widerfuhr. War dies schon der Garten Eden? Konnte es denn wirklich so einfach sein? Wo blieb die Geißel aller Erntezeitspiele, die Ernährungsabgabe?
Und es begab sich zu der Zeit, als das Ertragsrad weiter und weiter gedreht wurde und den Menschen ein hellblaues Symbol auf der Pappscheibe erschien. Bruder Rosenberg sprach zum Volke: Ihr habt wohl getan! Ich will euch belohnen. Baut eine Siedlung und erfreut euch an ihren vielen Siegpunkten. Und plötzlich verstand das Volk, wozu es Waren mit Brenn- und Nährwerten gab. Denn die Siedlungen kosteten genau diese. Und mehr und mehr hellblaue Symbole erschienen. Und das Volk siedelte und erkannte, wie Siedlungen immer mehr Punkte zählten. Die Nachbargebäude gaben den Ausschlag. Ein Schlachthof nebenan zählte minus. Es war unrein und die Nase störte sich am üblen Geruch. Ein Badehaus nebenan zählte plus. Es war wohltuend und das Auge erfreute sich an den nackten Leibern. Und das Volk zog seine Lehren. Es erkannte, dass es seine Häuser einfach irgendwo gebaut hatte. Es schwor, beim nächsten Mal planvoller zu agieren. Doch beim nächsten Mal klappte es wieder nicht. Dort, wo das Haus gebaut werden sollte, war noch Moor. Als das Moor trockengelegt war, fehlte zum Bauen das Stroh. Als das Stroh beschafft war, hatte das Gebäude bereits ein anderer errichtet. Und abermals stand ein hellblaues Symbol am Firmament ud dem Volk fehlten die Nährwerte für die angepeilte Siedlung. Und die Pein ward größer, und das Volk nannte es Langzeitspielreiz.
Und wieder erkannte das Volk, was besonders war an "Ora & Labora". Siedlungen waren wertvoll. Aber weder Siedlungen allein brachten den Segen, noch Siedlungen um jeden Preis. Acht verschiedene hatte jeder zur Auswahl. Selten baute einer alle. Und wer doch alle baute, litt Mangel an starken Nachbargebäuden und wertvollen Endprodukten. Das Volk musste weiter Nährwerte und Brennwerte sammeln, doch es durfte entscheiden, wie viele. Also fühlte sich das Volk vom Joch der Ernährungsabgabe befreit.
Und ein Besessener kam und sprach: Bruder Rosenberg, erbarme dich meiner. In mir ist eine Unruhe, ich kann nicht zwei Stunden und länger an demselben Spiel sitzen. Und Bruder Rosenberg gab ihm das Kurzspiel und das Kurzspiel war gut. Und ein Aussätziger kam und sprach: Bruder Rosenberg, erbarme dich meiner. Ich habe keine Freunde, niemand spielt mit mir. Und Bruder Rosenberg gab ihm das Solo-Spiel, und auch das Solo-Spiel war gut. Und ein Pharisäer kam und sprach: Bruder Rosenberg, willst du die Menschen in Versuchung führen, auf dass sie Wein saufen wie die Franzosen? Und Bruder Rosenberg gab ihm die Irland-Variante, wo behaarte Menschen auf Hausbooten wohnten, wo sie aus Torf, Holz und Malz Whisky destillierten und sich statt Brot von Bier ernährten. Und die Irland-Variante war gut, denn es gab keinen Wein zu saufen. Und ein Sadduzäer kam und sprach: Bruder Rosenberg, die Menschen wissen das geschriebene Wort nicht mehr zu deuten. Komplexe Spiele sind ihnen unbegreiflich. Und Bruder Rosenberg gab ihm die vier Seiten kurze Erklärregel und sprach: Selig sind, die schnell loslegen wollen. Seid gewahr, dass in "Ora & Labora" nur wenige Gesetze gelten. Ihr müsst am Anfang nicht wissen, welche Gebäude dereinst ins Spiel kommen werden. Vertraut auf das Thema, und es wird euch leiten und führen auf rechter Bahn.
Und die Besessenen und die Aussätzigen und die Pharisäer und die Sadduzäer: Sie sahen, dass "Ora & Labora" gut war. Sie fanden die Herrlichkeit vorheriger Spiele darin wieder, doch kunstvoll weitergeschmiedet und durch die Beigabe des Neuen in einem noch helleren Glanze. Also kam es, dass Bruder Rosenberg erneut seine herrliche Macht bewiesen hatte und damit ein Beispiel setzte denen, die hernach kommen würden. Nehmt dies Geschenk von Bruder Rosenberg und gehet hin in Frieden! Halleluja!
Udo Bartsch
Bewertung: 5 Schilde
