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Knobelritters Spielearchiv - Pfeffersäcke

Art des Spiels: taktisches Aufbauspiel
Spieleautor:    Christward Conrad
Verlag:         Goldsieber Spiele
Jahrgang:       1998
Spielerzahl:    2 bis 6 Spieler
Alter:          ab 12 Jahren
Dauer:          ca. 60 bis 90 Minuten
Preis:          nicht mehr erhältlich

Immer diese Kritiker! Ständig haben sie etwas auszusetzen. Der Literaturkritiker stößt sich an einem bestimmten Schreibstil, dem Kunstkritiker passt diese und jene Pinselführung nicht, dem Opernkritiker ist der Mezzosopran von Frau Soundso zu schrill und die Inszenierung zu bieder und dem Spielekritiker kann man sowieso nichts Recht machen. Sollen sie doch selber mal probieren, wie schwer es ist, ein gutes, neues, originelles Spiel zu "erfinden"!

Okay, dachte sich wahrscheinlich mein Schreiberkollege Christward Conrad und machte sich ans Werk. Nachdem bereits im Frühjahr sein "Zoff in Buffalo" bei FX Schmid erschien, veröffentlichte bei der Spiel '98 in Essen Goldsieber Spiele sein Spiel "Pfeffersäcke". Ich muss zugeben, dass ich anfangs Schwierigkeiten hatte, den Titel mit der opulenten Ausstattung in Verbindung zu bringen. Der Schachtelcover zeigt einen geldzählenden Kaufmann in spätmittelalterlichem Gewand. Der Untertitel verrät uns, dass es um "Händler, Zölle, Privilegien" geht. Wenn man die Schachtel aufmacht, offenbart sich einem ein großer Spielplan, der einen Teil des medievalen Europas - von Antwerpen bis Rostock und von Straßburg bis Wien - zeigt. 25 größere Städte sind als damalige Handelsmetropolen besonders hervorgehoben, dazu gibt es noch zwanzig kleinere Städte ohne namentliche Bezeichnung. An der Geographie sollte man, was historische Bedeutung und topologische Genauigkeit betrifft, mindestens ein Auge zudrücken. Die Städte sind untereinander mit einem verwirrend wirkenden Liniennetz verbunden. Jede Linie zwischen zwei Städten ist auch noch mit einem Wert - der Wegzoll - versehen, wobei auffällt, dass zwischen zwei Metropolen größere Zahlen stehen als zwischen Metropolen und kleineren Städten. Die Handelszentren selbst haben noch unterschiedliche Werte aufgedruckt. Diese drücken die Anzahl von Kontoren aus, die in dieser Stadt errichtet werden können. Hier führt eindeutig Köln, welches 8 Kontore erlaubt. Nürnberg hat zum Beispiel 6, Wien 4 und für unser kleines Linz sind lediglich 2 Kontore vorgesehen.

Weiters finden wir als Spielmaterial noch Städtemarker mit denselben Werten wie die Städte, eine Zählleiste für die kleineren Städte, einige Geleitbriefe, Spielgeld und jede Menge (270 Stück!) Holzhäuschen. Auf die jeweilige Bedeutung komme ich noch zurück, ich erwähne nur noch, dass dies alles optisch wunderbar gestaltet ist. Franz Vohwinkel hat sich wieder sehr viel Mühe gemacht und mit mittelalterlichem Federstrich viel Atmosphäre geschaffen. Bleibt trotzdem noch die Frage: Was hat das Ganze mit Pfeffersäcken zu tun? Nun, "Pfeffersäcke" werden die reichen Kaufmannsfamilien genannt, die den Handel in jener Zeit beherrschten. Und so übernimmt auch jeder Spieler die Rolle eines reichen Kaufmanns, der versucht, von seinem Kontor ausgehend entlang der Handelswege neue Niederlassungen zu errichten und seinen Einfluss in den Handelsstädten und in neuen Regionen zu erhöhen.

Womit wir auch schon direkt im Spielgeschehen sind. Zuerst suchen sich alle angehenden "Pfeffersäcke" eine kleine Stadt als Ausgangspunkt für den Aufbau ihres Handelsimperiums. Dabei richten sie sich nach den ihnen zu Beginn zugeteilten Stadtmarkern. Diese Marker werden von den Spielern erst allmählich ins Spiel gebracht, wodurch in einigen Städten erst später Niederlassungen gebaut werden können. Dann noch ausgestattet mit einer Handvoll Gulden und zwei Geleitbriefen mach sich die Kaufleute an die wirtschaftliche Eroberung des Abendlandes.

Das Hauptziel jedes Kaufmanns heißt also Einflusserweiterung. Zum einen geschieht dies durch Expansion. Soll heißen, von der Startstadt ausgehend kann jeder Spieler in jeder Runde eine Niederlassung - das sind die kleinen Häuschen - in einer neuen, mit einer Linie an einem eigenen Kontor verbundenen Stadt gründen. Als Belohnung gibt es für jede Region (insgesamt sind es 10 unterschiedlich große und auch unterschiedlich erreichbare Regionen), in der man mit einem Kontor vertreten ist, zwei Einflusspunkte. Die kleine Stadt, welche den Spielern als Ausgangspunkt für ihr Handelsimperium dient, bestimmen die Spieler zu Spielbeginn selbst, wobei sie sich nach den ihnen verdeckt zugeteilten Stadtmarkern richten. Diese Stadtmarker kommen dann erst allmählich ins Spiel, wodurch in einigen Städte erst später Niederlassungen gebaut werden können.

Eine weitere, viel wichtigere Möglichkeit, Einflusspunkte zu gewinnen, stellen die Stadtmarken auf den größeren Städten dar. Theoretisch kann man in jeder Runde in jeder Stadt, in der man bereits ein Kontor besitzt, ein weiteres dazustellen, solange bis man die Mehrheit hat oder bis kein Bauplatz mehr vorhanden ist. Hat man die Mehrheit erreicht, heimst man dafür den Stadtmarker ein und bekommt die volle Punktezahl an Einflusspunkten gutgeschrieben, also 2 Punkte für Linz, stolze 8 Punkte für Köln. Das Dilemma ist aber, dass man bei einer solchen Kontorerweiterung keine Einnahmen in dieser Stadt erhält. Jede Stadt wird ganz streng berechnet: Entweder man baut dort eine weitere Zweigstelle oder man kassiert dort Einnahmen. Die Höhe der Einnahmen richtet sich dabei nach den noch freien Plätzen in dieser Stadt, was den Konflikt sogar noch steigert. Geld hat man aber immer nötig, schließlich müssen die Wegzölle ja irgendwie entrichtet werden. Wenn man sich mehr über die Kleinstädte ausbreitet, spart man zwar einiges an den Zöllen, aber der doch sehr hohe Preis dafür ist ein ziemlicher Zeitverlust.

Aus diesen entgegengesetzten Anforderungen bezieht das Spiel seinen Reiz. Ständig muss man abwägen, ob man lieber Einnahmen kassiert oder die Mehrheit in dieser Stadt absichern will. Zudem hat man noch mit den Aktionen der lieben Mitbewerber zu rechnen, die einem redlichen Kaufmann die Mehrheiten streitig machen wollen, bei den Einnahmen mitverdienen wollen, einem durch Blockaden zu Umwegen zwingen und ähnliche Nettigkeiten mehr.

Das Ganze ergibt ein Spiel, welches recht taktisch und anspruchsvoll ist. Die Geleitbriefe, von denen jeder Spieler zwei im Laufe des Spieles einsetzen kann, sorgen für weitere Dynamik. Sie erlauben es, entweder doppelte Einnahmen zu beziehen, oder zwei neue Kontore zu eröffnen oder eine Stadt mit zwei zusätzlichen Kontore zu erweitern. Der richtige Einsatz dieser Geleitbriefe entscheidet nicht selten über Sieg oder Niederlage. Das Spiel endet, sobald alle Stadtmarken vergeben wurden, oder alle kleinen Städte verbaut worden sind, oder eine ganze Runde lang kein neues Kontor eröffnet wurde. Dann erhält jeder Spieler noch die Bonuspunkte für erschlossene Regionen, und auch für das restliche Bargeld gibt es nicht unerheblich viele Einflusspunkte. Der Spieler mit den meisten Einflusspunkten gewinnt und kann sich zu Recht als den mächtigsten "Pfeffersack" betrachten.

Wie man sich auf dem Spielplan ausbreitet, erinnert ein wenig an Eisenbahnspiele. Und tatsächlich habe ich in Erfahrung gebracht, dass das Spiel von Christward Conrad als Luftlinienspiel konzipiert wurde, aber dann doch auf das jetzige Thema umgewälzt wurde. Gemeinsam mit Eisenbahnspielen hat "Pfeffersäcke" auch das logistische Element, die Vorausplanung und die kostenorientierte Optimierung des Streckennetzes, damit verbunden aber auch einen eher trockenen Spielablauf, der einige Mitspieler zu langen Berechnungen verleitet. Von dem abgesehen hat mich das Spiel in der Anfangsphase und vor allem im Mittelteil, wo jede Entscheidung seine Auswirkung auf die Mitspieler hat, begeistert. Leider fällt der Spannungsbogen gegen Ende etwas ab, die Positionen sind im Grunde genommen bezogen. Für einige ist es günstiger, wenn es noch länger dauert (hohe Einnahmen), andere würden am liebsten das Spiel so schnell wie möglich beendet sehen. So zieht es sich ein wenig in die Länge, ohne dass sich Entscheidendes tut.

Unschlüssig bin ich mir auch, welchen Stellenwert die anfangs gezogenen Stadtmarken auf den Spielverlauf und auf das Endergebnis haben. Ich werde den Eindruck einfach nicht los, dass man vom Anfang an schon stark benachteiligt ist, wenn man eher niedrigere Stadtmarken erhält, insbesonders bei höherer Spielerzahl. Auch habe ich das Gefühl, dass einige Positionen auf dem Plan eine bessere Spielentwicklung begünstigen. Wobei ich allerdings vorausschicken muss, dass drei, vier Partien "Pfeffersäcke" für eine zuverlässige Aussage vielleicht nicht ausreichend sind.

Trotzdem zähle ich "Pfeffersäcke" neben "Samurai" und "Keydom" zu den bemerkenswertesten Neuheiten von Essen 1998 (endlich wieder ein anspruchsvolles Spiel im "Goldsieber"-Programm). Ich bescheinige dem Spiel sogar einen relativ hohen Wiederspielreiz, denn wenn man einmal das nicht komplizierte Spielsystem kapiert hat, möchte man andere Taktiken und Strategien ausprobieren. Und nur nach mehreren Partien lässt sich vielleicht beurteilen, ob es begünstigtere Startregionen gibt oder ob alles ausgewogen ist...

Franky Bayer

Bewertung: 4 Schilde