Die beiden offensichtlichsten Unterschiede liegen in der Themenwahl und
in der Aufmachung. Bei "Ra" lenkt jeder Spieler das Geschick
seiner Dynastie in der zweitausendjährigen Geschichte des alten
Ägyptens, bei "Razzia" hingegen die eher illegalen
Geschäfte einer Familie im Mafiamilieu. Diese völlig
konträren Spielethemen mögen zwar auf den ersten Blick seltsam
klingen, aber man kennt das ja bereits von vielen Spielen Reiner Knizias,
dass die Stories zu seinen Spielen fast beliebig austauschbar sind.
Während "Ra" in einem etwas größeren
Schachtelformat auf den Markt kam, präsentiert sich
"Razzia" als handliches Mitbringspiel, welches nur mit
kleinformatigen Spielkarten, ein paar Plättchen (die
"Schecks", von denen jeder Spieler anfangs welche erhält),
einer kleinen Anlegetafel und sonst ohne Spielplan auskommt.
Ach, Ihr findet den Artikel über "Ra" gerade nicht? Okay,
dann wiederhole ich halt noch mal in Kürze das Grundprinzip, aber
sicher nichts darüber hinaus! Wer an der Reihe ist, hat die Wahl
zwischen drei Aktionen:
- Er kann eine Karte von einem der beiden verdeckten Stapel
aufdecken. Ist es eine Beutekarte, wird sie an die untere Hälfte der
Tafel gelegt, neben eventuell bereits ausliegenden Beutekarten. Wird
jedoch ein Polizist aufgedeckt, wird diese an die obere Hälfte der
Tafel angelegt und es findet sofort eine normale Versteigerung statt.
Reihum kommt jeder Spieler einmal dran und muss entweder einen seiner
Schecks bieten, wobei das Gebot des Vorgängers selbstverständlich
erhöht werden muss, oder passen. Wer den höchsten Scheck geboten hat,
bekommt den Zuschlag. Er tauscht seinen gebotenen Scheck mit dem
ausliegenden Scheck an der Tafel und erhält alle Beutekarten aus der
Tischmitte.
- Der Spieler ruft eine Zwangsversteigerung aus, die im
Wesentlichen genauso abläuft wie die vorab beschriebene normale
Versteigerung.
- Er tauscht einen "Dieb", der bereits in seinem Familienbesitz ist,
mit einer beliebigen Beutekarte in der Tischmitte aus.
Zwei Beschränkungen gibt es noch, wie Ihr Euch sicher erinnern
könnt: Bei sieben ausliegenden Beutekarten findet auf jeden Fall
eine Versteigerung statt. Und beim siebten Polizisten kommt es sofort zu
einer Razzia, und die Spieler berechnen die Punkte ihrer ersteigerten
Karten.
So so, die Punkteermittlung ist Euch gerade nicht geläufig? Hab' ich
mir doch gedacht... Macht nichts, fasse ich das genaue Wertungsschema
halt erneut durch, wobei ich die entsprechende Bezeichnung aus dem
Originalspiel kursiv in Klammer setze. Der Reiz des Spiels liegt an den
unterschiedlichen Punkteberechnungen der verschiedenen Kartenarten.
Da gibt es zunächst einmal ganz einfache Karten, welche bloß
einmal Punkte bringen: Goldmünzen (Gold) sind je 3 Punkte wert,
nicht eingesetzte Diebe (Götter) nur je 2 Punkte.
Schmuckstücke (Zivilisationen) sind schon etwas differenzierter zu
betrachten. Hat man kein einziges Schmuckstück, bekommt man 5
Minuspunkte. Pluspunkte gibt es hingegen nur, wenn man mehr als zwei
verschiedene Schmuckstücke besitzt (drei verschiedene 5 Punkte, vier
verschiedene 10 Punkte, alle fünf verschiedene 15 Punkte).
Ganz gefinkelt sind die Autos und die Chauffeure (bei "Ra": Nil
und Uuml;berschwemmung), denn jedes Auto und jeder Chauffeur zählt
einen Punkt, vorausgesetzt es ist mindestens ein Chauffeur dabei! Hat man
nur Autos, bekommt man dafür gar nichts, eh klar, wer sollte den die
Karossen sonst fahren?
Bei den Leibwächtern (Pharaonen) kriegt nur der Spieler, der die
meisten besitzt 5 Punkte, während der Spieler mit den wenigsten 2
Minuspunkte erhält.
Und zuletzt tauchen noch Geschäfte (Monumente) auf, die lediglich
bei der dritten und letzten Wertung drankommen. Dafür gibt es dann
aber auch Punkte für verschiedene (pro Geschäft 1 Punkt, bei
allen sieben Geschäften jedoch stolze 10 Punkte) und für
identische Geschäfte (drei gleiche Geschäfte 5 Punkte, vier
gleich 10 Punkte).
Die im Originalspiel vorkommenden negativen Ereignisse (z.B. Dürre)
fehlen bei "Razzia völlig, was aber kein Nachteil ist, da es so
ohnehin kompliziert und interessant genug ist.
Und wisst Ihr noch eine Besonderheit der verschiedenen Beutekarten?
Nein? Ja, lest Ihr meine Spielebeschreibungen überhaupt? Die
Antwort, die Ihr eigentlich wissen müsstet: Einige Karten kommen
nach einer Wertung aus dem Spiel, sie sind mit einem Kreuz an der unteren
rechten Ecke gekennzeichnet. Zum Beispiel die Schmuckstücke, welche
somit jede Runde neu ersteigert werden müssen, um keine Minuspunkte
zu notieren. Oder die Chauffeure, welche dafür sorgen, dass Spieler
mit einem großen Fuhrpark gut beraten sind, in den folgenden Runden
hoch für neue Chauffeure zu bieten. Andere Beutekarten, wie die
Geschäfte, die Autos und die Leibwächter bleiben hingegen vor
den Spielern liegen.
Insgesamt bietet "Razzia" also eine interessante, wenn auch
nicht ganz einfache Verknüpfung verschiedener Wertungsarten. Wer
nach der dritten Wertung, bei der auch noch die Spieler mit der
höchsten bzw. niedrigsten Summe an Schecks 5 Zusatzpunkte bekommen
bzw. abgeben müssen, auf die höchste Punkteanzahl kommt
(unbedingt Notizblock und Stift bereitlegen), gewinnt das Spiel.
Jetzt habt Ihr mich aber richtig drangekriegt. Ich wollte es mir einfach
machen, und musste nun doch eine volle Spielerezension verfassen. Aber
zumindest das Schlussresümee erspare ich mir, indem ich die
abschließenden Sätze meines Artikels über "Ra"
- angepasst - wiedergebe:
"Razzia" ist kein Versteigerungsspiel, sondern ein taktisches
Bietspiel, da ja sowohl Angebot (Schecks) als auch Nachfrage
(Beutekarten) aller Spieler offen ausliegen und somit in taktische
Überlegungen eingeschlossen werden können. Mir gefällt die
ausgewogene Mischung aus Glück und Taktik, die für ein sehr
kurzweiliges Spiel sorgt. Es braucht zwar eine Weile, bis man den
raffinierten Bietmechanismus kapiert und die unterschiedlichen
Beutekarten durchschaut, aber dann spielt es sich sehr flüssig, auch
dank der hilfreichen Info-Karten.
Franky Bayer
Bewertung: 4 Schilde


 
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