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Knobelritters Spielearchiv - Vienna

Art des Spiels: Würfeleinsetzspiel
Spieleautor:    Johannes Schmidauer-König
Verlag:         Schmidt Spiele
Jahrgang:       2015
Spielerzahl:    für 3 bis 5 Spieler
Alter:          ab 10 Jahren
Dauer:          ca. 45 Minuten
Preis:          ca. € 29,-

Zielgruppen:    Gelegenheitsspieler ++
                Spielexperten (+)

O je, da muss ich aber höllisch aufpassen. Diese Rezension ist für mich so was wie ein Tanz auf dem Vulkan, ein Ritt auf der Rasierklinge. Zum einen bin ich mit dem Spieleautor befreundet, denn Johannes ist seit vielen Jahren treues Mitglied meines Spieleklubs. Dennoch gilt es, alle Emotionen und die freundschaftlichen Bande außer Acht zu lassen, um wirklich objektiv über sein neuestes Opus schreiben zu können. Zum anderen heißt das Spiel "Vienna", und als der Quoten-Österreicher bei "H@ll 9000" darf ich mir keinen historisch-kulturellen Schnitzer erlauben, um mich nur ja nicht zu blamieren.

"Vienna" spielt also in meiner wunderschönen Bundeshauptstadt so gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wo die Spieler in die Rollen gerissener Lebemänner schlüpfen. In ihrem Bestreben, in die High Society aufzusteigen, versuchen sie an möglichst vielen Orten und Plätzen wichtige Personen für sich zu gewinnen, um mit ihrer Hilfe höheren Einfluss zu erlangen.

Der Spielplan zeigt viele der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Eine Straße führt vom Riesenrad an weltbekannten Gebäuden, wie der Oper, dem Rathaus oder dem Stephansdom vorbei bis hin nach Schönbrunn und einem Heurigen. Entlang dieser Route werden die Spieler in Fiakern chauffiert. Ziel ist es allerdings nicht, zuerst die Endhaltestelle zu erreichen, sondern unterwegs verschiedene Örtlichkeiten zu besuchen, denn nur so gelangt man an die wichtigen Siegpunkte.

Um diese Örtlichkeiten aufsuchen zu können, verfügt jeder Spieler über einen Satz Würfel in seiner Farbe - vier Würfel zu viert oder fünft, fünf Würfel bei nur drei Spielern. Damit werden aber nicht etwa Spielfiguren bewegt, sondern die Aktionsfelder der Laufstrecke besetzt. Jeder Platz, jedes Gebäude entlang der Straße besitzt nämlich einen Zahlenwert, manche sogar über 2 benachbarte Zahlen. Um ein Aktionsfeld zu besetzen, muss man diesen Wert genau erzielen.

Grob könnte man eine Spielrunde in zwei Phasen einteilen. In der Einsetzphase würfeln die Spieler zuerst ihre Würfel und setzen sie dann in mehreren Spielzügen reihum auf Aktionsfelder ein. Dabei werden pro Zug ein bis zwei Würfel (deren Würfelaugen in diesem Fall addiert werden) auf ein freies, passendes Aktionsfeld platziert. Gegen Abgabe einer Münze darf eine beliebige Anzahl an Würfeln 1 x neu gewürfelt oder 1 Würfel um einen Wert nach oben oder unten gedreht werden. Dieses Verändern kann beliebig oft durchgeführt werden, sofern jedes Mal 1 Münze bezahlt wird.

Die wichtigste Regel beim Einsetzen der Würfel besagt aber, dass dies immer entlang des Straßenverlaufs - wie in einer Einbahnstraße - erfolgen muss. Neue Würfel eines Spielers müssen daher stets weiter als seine zuvor gesetzten Würfel platziert werden. Will oder muss ein Spieler jedoch Würfel auf zurückliegende Felder einsetzen, muss er den Kutscher durch Abgabe von 1 Münze zum Umkehren bestechen.

Erst nachdem alle Würfel eingesetzt wurden, folgt die Auswertungsphase, in der die Aktionen der Felder der Reihe nach abgewickelt werden. Generell sind auf den Feldern folgende Aktionen möglich: Münzen aus dem Vorrat erhalten, Siegpunkte auf der Siegpunktleiste bekommen, eine der offen ausliegenden Personenkarten nehmen und vor sich ablegen, die abgebildete Sonderkarte vor sich auslegen.

Die Personenkarten werden vor den Spielern abgelegt. Deren Symbole - Zylinder, Kreuze und Kronen - können auf entsprechenden Feldern (Pestsäule für Bürger, Stephansdom für die Kirche und Schloss Belvedere für den Adel) im Vergleich mit den Sitznachbarn für wertvolle Siegpunkte sorgen. Sonderkarten wiederum bringen einem Spieler den darauf abgebildeten Vorteil, solange er diese Karte besitzt. Dies kann ein weißer Extrawürfel sein, der zusätzlich mit den eigenen Würfeln geworfen wird, ein Doppelzug beim Würfeleinsatz oder der immense Vorteil des Startspielers.

Das Spiel endet, sobald nach der Auswertung mindestens ein 25 oder mehr Siegpunkte vorweisen kann. Nach einer abschließenden Wertung der Symbole, bei der jeder Spieler für jede Mehrheit gegenüber seinen Nachbarn je 1 Punkt erhält, können alle Spieler noch je 3 Goldmünzen in 1 Siegpunkt umtauschen. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.

Spieleautor Johannes hat sich in der Spielregel ausdrücklich bei mir und meinem Spieleklub "für das eifrige Testen" bedankt. Der Dank erscheint mir aber etwas unverdient, denn die Testversion, die er uns vorlegte, war schon fast fertig. Ich glaube, dass danach nur mehr ein einziges Aktionsfeld einen geringfügig höheren Zahlenwert erhielt, ansonsten funktionierte das Spiel bereits genau so, wie Johannes es geplant hatte. Kompliment für die ausgezeichnete Vorarbeit!

Das Thema hingegen stand damals noch nicht fest. Der Verlag hat sich entschlossen, es ins Wien des 19. Jahrhunderts anzusiedeln. Eine gute Entscheidung, die zusammen mit der Verpflichtung von Michael Menzel, der das Ganze wunderbar gestaltete, zu einem sehr attraktiven Resultat führte. Sogar die Rückseite des Spielplans - sie zeigt Wien bei Nacht - kann alternativ zum Spielen verwendet werden.

Das Spiel selbst ist ein lupenreines Würfeleinsetzspiel. Als solches weist es gewisse Ähnlichkeiten zu "Kingsburg" bzw. "Kingsport Festival" auf, bei denen die Spieler ebenfalls reihum ihre Würfel einsetzen, um die Vorteile bestimmter Felder genießen zu können. Und auch hier erleben wir, dass man stets einen Blick auf die noch vorhandenen Würfel der Mitspieler wirft, um deren Optionen in die eigenen taktischen Überlegungen mit einzubeziehen. Naturgemäß spielt der Zufall in Form von störrischen, eigenwilligen Sechsseitern eine wichtige Rolle. Dass die Spieler aber nicht komplett vom Würfelglück abhängig sind, verdanken sie der sinnvollen Nachwürfel- bzw. Würfeldrehregel, mit der man seinem Geschick mehr oder weniger nachhelfen kann, je nachdem wie viel Münzen man auszugeben bereit ist.

Entscheidender als ein glückliches Händchen ist jedoch, auf die Aktionen der Mitspieler richtig zu reagieren. Die Interaktion ist bei "Vienna" tatsächlich in einem recht hohen Maße vorhanden. Zum einen müssen - wie bereits erwähnt - die Würfelergebnisse der Mitspieler beachtet werden, um abwägen zu können, für welche Aktionsfelder es Konkurrenz geben wird, und für welche man sich Zeit lassen kann.

Zum anderen kommt es durch die Personenkarten zu Rangeleien um die Mehrheiten von Zylindern, Kreuzen und Kronen. Dass man die Symbole bloß mit seinen direkten Nachbarn vergleicht, ist ein recht geschickter Schachzug vom Autor, und deutlich interessanter als ginge es um die Mehrheiten am ganzen Spieltisch. Während der Spieler im Spielverlauf auf einem der entsprechenden Aktionsfelder Punkte sowohl für Mehrheiten als auch - wenngleich etwas weniger - für Gleichstände im Vergleich mit seinen beiden Sitznachbarn erhält, zählt bei der Schlusswertung nur mehr jede Mehrheit 1 Siegpunkt.

Allzu langen Grübeleien hat der Autor dadurch vorgebeugt, dass bei Rundenbeginn nicht gleich alle Spieler würfeln, sondern jeder Spieler erst, wenn er erstmals an der Reihe ist. Trotzdem kann es sich - vor allem in voller Besetzung - ein wenig in die Länge ziehen. Das liegt nicht nur an der längeren Downtime bei 5 Spielern, sondern auch daran, dass die möglichen Punkte in einer Runde durch mehr Spieler geteilt werden. Nur bei 3 bis 4 Spielern liegt die Spieldauer deshalb meist unter einer Stunde, weshalb ich persönlich eher ungern in der Maximalbesetzung spiele. (Ganz unter uns: Johannes hat das Spiel ursprünglich eigentlich nur für höchstens 4 Spieler konzipiert!)

Generell gibt es zwei verschiedene Vorgehensweisen. Entweder man versucht, sich auf bestimmte Symbole zu konzentrieren, die passenden Personenkarten zu sammeln und dann auf dem entsprechenden Aktionsfeld fleißig Punkte zu sammeln. Man muss aber damit rechnen, dass dies die lieben Mitspieler - wie immer neidisch und einem kein einziges Pünktchen vergönnt - zu vereiteln trachten, etwa indem sie die Mehrheiten stürzen, die Aktionsfelder selber besetzen oder den Gendarm - eine Blockadefigur - dorthin stellen. Man kann aber auch ganz auf Personenkarten verzichten, was vor allem mit jenen Aktionsfeldern möglich ist, auf denen man lukrativ Siegpunkte gegen Münzen kaufen kann. Beides kann zum Sieg führen, ich konnte in meinen Partien nicht feststellen, dass eine der beiden Strategien erfolgversprechender wäre. Es gilt - wie in vielen Spielen - zum richtigen Zeitpunkt die richtigen taktischen Entscheidungen zu treffen.

Insgesamt gefällt mir "Vienna" wirklich gut. Dass dies nicht allein eine subjektive Sichtweise eines Freundes ist, beweist die Tatsache, dass das Spiel für den italienischen Spielepreis "Gioco dell'Anno" 2015 nominiert und auch von der Wiener Spieleakademie zum "SpieleHit mit Freunden" ausgezeichnet wurde. So kann ich abschließend nur noch eines anführen: Gut gemacht, Johannes! Ich freue mich schon auf die nächsten Prototypen zum Testen!

Franky Bayer

Bewertung: 4½ Schilde